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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: Wie viel Dankbarkeit muss man zeigen?

Einmal in der Woche fragen Sie Elisabeth Binder, wie man mit komplizierten oder peinlichen Situationen so umgeht, dass es am Ende keine Verstimmungen gibt: So kann's gehen.

Meine Schwester hat mir schon öfter Einrichtungsgegenstände für die Wohnung geschenkt. Da es mir finanziell nicht gut geht, habe ich mich bedankt und sie angenommen, obwohl mir die Sachen nicht so toll gefielen. Nun klagt sie, ich sei nicht dankbar genug. Wie dankbar muss man denn sein?

Edith, beschenkt

Es wäre sicher heuchlerisch, wenn Sie sich immer wieder lautstark über Dinge freuen würden, die Ihnen nicht gefallen. Das kann auch die Schwester nicht erwarten. Außerdem führt das leicht dazu, dass man immer wieder Dinge geschenkt bekommt, die man gar nicht mag. Wenn Ihre Schwester Dinge schenkt, die Sie gut gebrauchen können, ist das eine gute Tat, der sie eine weitere folgen lassen könnte – den diskreten Umgang damit. Offenbar befinden Sie sich in einer Notlage und sind in einer anderen Situation als ein Geburtstagskind, das ein Geschenk bekommt, das es nicht braucht. Auch unter Schwestern können Stolz und Selbstwertgefühl eine Rolle spielen, wenn die eine Glück im Leben hat, die andere nicht. Die Glücklichere sollte mit der anderen besonders behutsam umgehen. Sie kann abgelegte Sachen anbieten, aber nicht aufdrängen. Wenn sie dafür immer wieder Kundgebungen von Dankbarkeit erwartet oder gar einfordert, wandelt sich ihre gute Tat leicht in Demütigung. Umgekehrt sollten auch Sie schwesterliche Solidarität zeigen. Nicht alles ist mit Geld zu kaufen. Wenn Sie sehen, wo Sie die Schwester entlasten oder ihr einen Gefallen tun können, sollten Sie die Chance nicht auslassen. Ich hielte es aber für falsch, dann zu sagen: „Ich tue das aus Dankbarkeit.“ Für ebenso falsch hielte ich es, wenn die Schwester Sie auffordert, im Urlaub ihre Wohnung zu hüten, weil sie Ihnen etwas geschenkt hat. Es tut Beziehungen immer gut, wenn man Dinge um ihrer selbst willen tut.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie an: meinefrage@tagesspiegel.de

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