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Berlin: Falscher Professor zapfte Förder-Töpfe an

54-Jähriger betrog Staat und Steuerzahler um 350 000 Euro. Vor dem Amtsgericht schilderte er, wie leicht das war

Der grauhaarige Mann mit der Lesebrille auf der Nase faltet die Hände. Er legt die Stirn in Falten. „Ich habe eine Vision“, sagt Alwin S. zum Richter. „Diese Apparatur – für die Medizintechnik könnte sie etwas Entscheidendes sein.“ Der Richter lehnt sich zurück. Er weiß längst, dass der Angeklagte alles andere als ein Mann der Wissenschaft ist. Alwin S. hat sich als Professor ausgegeben und rund 350 000 Euro Fördermittel erschlichen. Das brachte ihn gestern vor das Amtsgericht Tiergarten. Ja, er wirkt sehr seriös, der Angeklagte. Der 54Jährige spricht ruhig und deutlich. „Ich schäme mich, dass ich diesen Weg gewählt habe“, gesteht er. Er hatte Zeit zum Nachdenken. Drei Monate saß er in Untersuchungshaft.

Der gelernte Maschinenschlosser versteht sich aufs Verkaufen. Jahrelang hat er im Vertrieb gearbeitet, zuletzt im Bereich Medizintechnik. Bis er das Klinkenputzen aufgab und sich als angeblicher Forscher zumindest für einige Zeit ganz gut profilierte. Alwin S. meldete sich im Jahre 2000 beim Bundeswirtschaftsministerium. Das Programm „Förderung und Unterstützung von technologieorientierten Unternehmensgründungen in den neuen Bundesländern und Berlin-Ost“ interessierte ihn. Er sprach von der Entwicklung eines Gerätes für die Medizintechnik. „Zur Messung von Lungenflüssigkeiten“, erklärt der Verkaufs-Experte im Prozess.

Seine Firma gründete der Mann, der zuvor in Schleswig-Holstein lebte, in Rostock. Das wissenschaftliche Fachwissen gaukelte er vor: Seinem Antrag fügte er eine gefälschte Promotionsurkunde bei und unterschrieb mit „Prof. Dr. Ing. Alwin S.“ Wie er überhaupt auf die Idee kam, will der Richter wissen. Alwin S. spricht von einer Diplomarbeit, die er zufällig in die Hand bekam. Für die Projektbeschreibungen, die eingereicht werden mussten, heuerte er einen Bekannten seiner Frau an, einen Sozialarbeiter. Fleißig pinselte der aus der Diplomarbeit Dinge zusammen, die er nicht verstand. „Mir fehlt die strenge technologische Marschrichtung“, sagte er gegenüber dem Angeklagten. Der aber lobte ihn: „Du machst das gut.“ Und das Ministerium zahlte. Auch wenn man das kaum glauben mag. Erst als die Firma von S. vor der Pleite stand, fiel der Schwindel auf. Alwin S. versichert dem Richter, er habe die Gelder nicht „zweckentfremdet“ eingesetzt. „Ich hatte auch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter“, sagt er. Doch der Russe habe elektronische Bauteile verschoben. Heute steht S. mit 480 000 Euro Schulden da. „Und der Steuerzahler ist Neese“, sagt der Richter. Er verhängt wegen Subventionsbetruges, Titelmissbrauchs und Insolvenzverschleppung zwei Jahre Haft auf Bewährung und eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 Euro (5400 Euro).

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