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Falscher Verdacht: Von der Kripo beinahe ruiniert

Ein Firmenchef verklagt das Land Berlin auf Millionen-Schadensersatz: Die Polizei hatte einen falschen Verdacht in die Welt gesetzt. Danach kündigten Banken die Zusammenarbeit.

Für Ibrahim Arikoglu geht es um viel Geld. Auf rund zwei Millionen Euro Schadenersatz hat der Berliner Getränkegroßhändler das Land verklagt. Dieser Schaden sei ihm entstanden, weil das Landeskriminalamt (LKA) vor drei Jahren bei Ermittlungen Geschäftspartner mit falschen Verdächtigungen gegen ihn und seine Firma Iber-Tek konfrontiert und damit das Unternehmen beinahe in den Ruin geführt hatte. Heute wird über Arikoglus Klage vor dem Berliner Landgericht verhandelt. Dabei geht es auch um den Vorwurf der Amtspflichtverletzung und um die Amtshaftung des Landes.

Im Frühjahr 2007 hatte der damals in Kreuzberg ansässige Unternehmer feststellen müssen, dass seine Geschäfte aus unerklärlichen Gründen schleppender liefen. Ware wurde nicht geliefert, Geldinstitute kündigten die Zusammenarbeit auf. Bei einem Gespräch mit einem Geschäftspartner erfuhr er die Gründe für dieses merkwürdige Geschäftsgebaren: LKA-Ermittler hatten rund 70 Firmen und Organisationen angeschrieben. Man verdächtigte ihn betrügerischer Aktivitäten. Das Schreiben, über das der Tagesspiegel schon 2007 berichtete, ließ kaum Zweifel an seiner Schuld. Unter anderem hieß es darin: „Sollten Sie bereits Strafanzeige (gegen Arikoglu) erstattet haben, bitte ich Sie um Mitteilung (...) des Aktenzeichens.“ Auch fünf wichtige Kreditversicherer erhielten ein LKA-Schreiben, in dem stand: „Hier liegt ein Hinweis auf eine angeblich türkisch beherrschte Berliner Betrugsfirma vor.“ Die Information müsse noch verifiziert werden.

Die Ermittlungen der Kriminalbeamten beruhten zunächst auf einem anonymen Anruf. Dieser bezog sich lediglich auf ein nicht näher bezeichnetes Unternehmen auf dem Gewerbehof in der Wrangelstraße, wo Arikoglus Firma wie auch rund 50 weitere Unternehmen ihren Sitz hatten. Später soll das LKA laut Klageschrift noch den Hinweis einer anderen Behörde erhalten haben. Aber nur wenig später mussten die Ermittler erkennen, dass der Verdacht gegen den Geschäftsmann unbegründet war. Dies wurde im Juni 2007 auch den Geschäftspartnern mitgeteilt. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu vom Juli 2007 schrieb Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der Senat bedaure, dass durch die Schreiben der Polizei „der Eindruck entstanden ist, ihr läge belastbares Material vor“. Zudem verwies er auf das Bedauern der Polizei, dass „durch die Nachforschung (...) geschäftliche Nachteile“ entstanden seien.

Arikoglus Ruf hatte allerdings bereits sehr gelitten. Viele Empfänger des LKA-Schreibens – darunter auch Genossenschaften und Verbände mit großen E-Mail-Verteilern – hatten die Warnung der Polizei weitergeleitet, was zu einer Kettenreaktion führte. Nach Angaben der Anwaltskanzlei, Gülpen & Garay, die Arikoglus Klage vertritt, soll das Land jetzt exakt 2 038 762,80 Euro plus aufgelaufener Zinsen zahlen. Bislang hat die Senatsfinanzverwaltung jede Zahlung verweigert, weil sie keinen kausalen Zusammenhang zwischen den LKA-Ermittlungen und den Verlusten der Firma sieht. Eine Stellungnahme zu dem Fall lehnte die Behörde aber unter Hinweis auf das laufende Verfahren ab.

Die Folgen dieser falschen Verdächtigungen spürt Arikoglu, der mit seiner Firma inzwischen nach Spandau umgezogen ist und dort acht Mitarbeiter beschäftigt, noch immer. Bis zum heutigen Tag gibt es Institutionen – Banken und Kreditversicherer –, mit denen es keine weiteren geschäftlichen Kontakte gibt.

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