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Licht und Schatten. Berlin tut schon einiges für die Förderung der Familien, doch in den Problemkiezen wächst die Kinderarmut. Foto: ZB

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SPD-Fraktion nach Klausur: Familie soll vorgehen

Die Berliner SPD-Fraktion will die Förderung von Eltern und Kindern zum Schwerpunkt ihrer Politik machen: Mit Ganztagsbetreuung in Kitas und Horten, kostenlosem Schulessen und gezielten finanziellen Hilfen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Berliner SPD will sich mehr als bisher den Familien zuwenden – und damit in den Wahlkampf ziehen. Kinder dürften kein Armutsrisiko sein, steht in einer Resolution, die von der SPD-Abgeordnetenhausfraktion am Sonnabend auf einer Klausur in Dresden beschlossen wurde. Familienfreundlichkeit solle ein Markenzeichen, ein wichtiger Standortfaktor für Berlin werden, sagte die jugendpolitische Sprecherin Sandra Scheeres. Noch vor der Wahl im September will der Senat eine Kampagne starten: „Be Berlin – Stadt der Kinder und Familien“.

Der evangelische Bischof Markus Dröge sagte auf der Klausurtagung für solche Bemühungen die Unterstützung der Kirche zu. „Nehmen Sie uns ernst und auch beim Wort“, forderte er die Abgeordneten auf. „Weil der Mensch Würde hat, müssen wir alle seine Gaben entfalten“, sagte er. Schulen, freie Träger, ehrenamtliche Helfer und die Politik müssten sich stärker vernetzen, um Armut zu bekämpfen, Familien zu fördern und die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu verbessern.

Vor der Wahl, das räumte der SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller ein, wird sich aber nicht mehr viel stemmen lassen. Neben der Image-Kampagne soll kurzfristig eine Internetplattform der Jugendverwaltung zur Information für Familien aufgebaut werden. Und vielleicht noch eine Bundesratsinitiative gestartet werden, um die Rechte der Kinder ins Grundgesetz aufzunehmen. In der Berliner Verfassung sind sie verankert. Alle weiteren Vorhaben, die in Dresden beschlossen wurden, sind ein Programm für die nächste Legislaturperiode. Dazu gehört, dass die Bedarfsprüfungen für Kitas und Horte abgeschafft werden, damit alle Kinder in den Genuss einer ganztägigen Förderung kommen. Außerdem soll eine seit langem beklagte Lücke geschlossen werden. Die SPD verspricht, die Hortbetreuung auf die Schüler in der 5. und 6. Klasse auszudehnen. Und an sämtlichen Berliner Schulen soll künftig ein subventioniertes Mittagessen angeboten werden. „Das muss dann auch schmecken“, forderte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit.

Angekündigt wurde auch, die bezirklichen Bürgerämter zu Servicestellen für Familien auszubauen, „damit die Eltern nicht ständig von der einen zur anderen Behörde laufen müssen“, so die Jugendexpertin Scheeres. Den Berlinpass, der vergünstigten Eintritt bei Sport, Kultur und Freizeit bietet, sollen auch Familien erhalten, denen der Kinderzuschlag nach dem SGB II zusteht. Obwohl während der Klausurtagung öfters betont wurde, die SPD wolle eine Politik für alle Familien machen, konzentrierte sich die Diskussion doch auf soziale Fragen und die Kinderarmut, die in den Problemkiezen Berlins eher zu- als abnimmt. Das beeinträchtige die Bildungschancen der Kinder, sagte Hilmar Schneider vom Institut zur Zukunft der Arbeit. „Stärker als in vielen anderen europäischen Ländern bestimmt in Deutschland die soziale Herkunft die Lebensperspektiven der Kinder.“ Er plädierte für eine intensivere Sozialarbeit in den Schulen „anstatt später das Scheitern junger Menschen teuer zu reparieren“.

Die Erkenntnis, dass eine bedarfsabhängige Förderung von Familien, ob als Sachleistung, Gutschein oder per Chip, der bessere Weg ist als pauschale Geldleistungen, hat sich inzwischen auch in der Berliner SPD verbreitet. Der Wirtschaftsexperte Bert Rürup warnte allerdings davor, nur ans Geld zu denken. Jugendliche hätten heute zwei große Wünsche: Berufstätig zu sein und zwei Kinder zu haben. Der Staat müsse die Rahmenbedingungen schaffen, damit diese Wünsche erfüllt werden könnten. Herauszukommen aus der Hartz-IV-Spirale sei also wichtiger als höhere Regelsätze. Vor allem die Frauen bedürften der Unterstützung. Rürup stellte Schweden und Frankreich als Vorbild dar. „Dort war es schon immer Tradition, dass Frauen berufstätig sind.“ Auch Norbert Struck vom Paritätischen Wohlfahrtsverband kritisierte das bestehende Instrumentarium zur Bekämpfung von Armut. Die Förderstrukturen von Bund, Ländern und Kommunen müssten neu geordnet werden.

Aber was kann Berlin tun? Über die schon genannten Vorschläge hinaus forderte die SPD-Fraktion „ausreichend bemessenen und bezahlbaren Wohnraum in der Innenstadt“, genügend Jugendfreizeiteinrichtungen und den Ausbau der Familienhilfen vor Ort. Die Hotline Kinderschutz soll künftig mehrsprachig erreichbar sein. Elternlotsen, Stadtteilmütter und andere ehrenamtliche Helfer sollen ein kostenloses Coaching und Fortbildungsmöglichkeiten bekommen.

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