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Berlin: Farbschüsse auf Plakate

Parteien klagen über Schäden, erstatten aber selten Anzeige

Die Nase des Bundeskanzlers wurde rot übermalt. Schröder sieht aus, als habe er einen dicken, fetten Schnupfen. Oder eine Clownsnase. Die Wahlaussage seines CDU-Konkurrenten Edmund Stoiber „Kompetenz für Deutschland“ wurde durch eine kleine angeklebte Vorsilbe ins Gegenteil verkehrt: „InKompetenz für Deutschland“ heißt es inzwischen auf vielen Wahlplakaten der Union. Und die FDP-Plakate, auf denen Guido Westerwelle für 18 Prozent Wählerstimmen wirbt, tragen illegale Aufkleber, auf denen „1,8%“ steht.

Ein „bestimmtes Ausmaß an Vandalismus ist nun mal leider normal“, heißt es dazu von der SPD resigniert. Es hilft nichts – auswechseln oder überkleben müssen es die Parteimitglieder. Eckhardt Barthel, Wahlkreis Schöneberg-Tempelhof, machte daraus einen Wettbewerb und gab sein Konterfei frei für alle Malkünstler. Demnächst soll eine Jury darüber entscheiden, wer das Antlitz des Politikers am besten verfremdete. Wenn Plakate „künstlerisch verfremdet werden, dann hat es ja etwas Kreatives“, heißt es auch bei der PDS. Begeisterungsstürme allerdings lösen die Plakatmaler dort nicht aus.

Bei der FDP stellte man in diesem Wahlkampf „ein hohes Maß an Zerstörung fest“. Allerdings nicht in der Innenstadt, sondern in den Wohnbezirken. Sechs bis sieben Anzeigen seien bereits erstattet worden, heißt es von den Freien Demokraten. Die CDU-Plakate werden aus fahrenden Autos heraus mit Farbpistolen beschossen und die Wahlversprechen gezielt überklebt.

Das ist organisiert, dahinter stehen vermutlich Kreuzberger Autonome. In der Autonomen-Postille „Interim“ vom 29. August war dazu aufgefordert worden, Wahlaussagen auf Plakaten zu verändern. Bei derartigen Aktionen werde die CDU Anzeige erstatten, auch „wenn nichts dabei herauskommt“, sagte Pressesprecher Matthias Wambach. Er rechnet mit einem Zerstörungsgrad von 25 bis 30 Prozent. Auch die SPD geht von ähnlichen Größenordnungen aus. Auch die FDP hat bereits zwischen 30 und 35 Prozent ihrer Wahlplakate abgeschrieben. Zwischen 20 000 und 35 000 Plakate haben die großen Parteien im Stadtgebiet aufgestellt und aufgehängt.

Bei der SPD in Schöneberg-Tempelhof hat man in diesem Wahlkampf eine besonders große Zerstörungswut festgestellt: Es gab zwar nur wenig zerrissene und abgerissene Plakate. Dafür wurden umso mehr Plakate mitsamt ihren Aufstellern bis in die Kleinteile zerlegt, hieß es im Wahlkampfbüro von Eckhardt Barthel.

Am besten scheinen die Grünen davonzukommen: Die Zahl der Zerstörungen sei „wie üblich“, man habe „nichts Außergewöhnliches“ festgestellt. Bei der Polizei sind die Ermittlungen wegen zerstörter oder übermalter Wahlplakate derzeit kein Thema. weso

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