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Bebelplatz Fashion Week

© Davids/Passig

Fashion Week: Versteckte Erinnerung

Das Fashion-Week-Zelt steht über dem Denkmal, das an die Bücherverbrennung erinnert. Nicht nur Besucher des Bebelplatzes in Mitte finden es unwürdig, dass das Mahnmal vom Modespektakel versteckt wird. Ein Pro & Contra

Probebesuch am Jahrestag der Machtübernahme der Nationalsozialisten: „Wir möchten das Mahnmal an die Bücherverbrennung sehen.“ Der dunkel gewandete Wachmann schaut etwas skeptisch, weist aber den Weg: „Kein Problem.“ Also hinein durch einen Seiteneingang in das Zelt, das für die Fashion Week auf dem Bebelplatz in Mitte steht. Innen ist alles rundherum schwarz, von weitem leuchtet im Boden die „Bibliothek der verbrannten Bücher“.

Rechts und links stehen schwarze Sichtblenden, von hinten wummern die Beats einer Modenschau, vorne cham pagnert sich eine schick gekleidete Menge durch den Tag. Allzu viele Seitenblicke sind den Mahnmalsbesuchern aber nicht vergönnt, da komplimentiert ein weiterer Sicherheitsmann sie aus dem Zelt: „Thank you, Gentlemen.“

„Das Mahnmal ist völlig entstellt“, sagt Thomas Flierl nach dem Kurzbesuch, „die Würde ist nicht gewahrt.“ Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linkspartei im Abgeordnetenhaus fordert: Das Zelt für die Fashion Week darf hier nicht noch mal aufgestellt werden.

Das Bezirksamt Mitte hat unter dem sanften Druck der Wirtschaftsverwaltung von Senator Harald Wolf (Linkspartei) jedoch ganz anders entschieden. Nachdem das Modezelt schon am Brandenburger Tor oder am Ostbahnhof stand, habe sich der Bebelplatz als bester Standort herausgestellt. Künftig wird das Zelt also zwei Mal im Jahr dort stehen, Ende Januar und im Juli. Mitten auf dem Mahnmal zur Bücherverbrennung.

Geschaffen hat es der israelische Künstler Micha Ullman. Für ihn gehören das Mahnmal, das aus einer in den Boden eingelassenen leeren Bibliothek besteht, und die Leere auf dem Platz darüber zusammen. Insbesondere dürfe es keine werbenden oder kommerziellen Veranstaltungen geben, erklärte er dem Bezirksamt. Gefragt, ob er als Urheberrechtsinhaber mit einem Zelt auf seinem Mahnmal einverstanden sei, habe ihn niemand.

Die Wirtschaftsverwaltung hält dem entgegen, die Fashion Week sei keine kommerzielle Veranstaltung, stelle stattdessen einen grandiosen Werbeeffekt für Berlin dar und ermögliche es der Stadt, zu den Modemetropolen Mailand, Paris, New York oder Tokio aufzuschließen. Den wirtschaftlichen Effekt für die Region hat die Verwaltung mit einem Saldo von 22 Millionen Euro errechnet. Darüber hinaus handele es sich um eine „wirtschaftlich fokussierte Infrastrukturmaßnahme“, die eine Anschubfinanzierung des Senats erhalten hat.

Auch Thomas Flierl freut sich, dass die Fashion Week in Berlin stattfindet. Aber: „Warum muss das Zelt ausgerechnet auf dem Mahnmal stehen und den ganzen Platz einnehmen?“ Im Katalog des Bezirksamtes Mitte mit allen Straßen und Plätzen, die nicht vollgestellt werden dürfen, steht auch der Bebelplatz. Ausnahmen sind unkommerzielle Veranstaltungen, wie die Opernübertragung auf eine Leinwand oder der runde Tisch, an dem Prominente vor zweieinhalb Jahren unter dem Titel „Dropping Knowledge“ diskutierten.

Auch die Eisbahn im Winter gilt als tolerabel. Durch sie und die anderen Nutzer wird das Mahnmal nicht verstellt. Doch das ist jetzt anders.

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