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Berlin: Fast brotlose Kunst

Das Theater an der Parkaue will Kosten sparen: Ein-Euro-Jobber werden für Hausmeister-Tätigkeiten eingesetzt

Die Kürzungen der vergangenen Jahre sieht man dem Theater an der Parkaue schon von außen an. Innen hinterlassen sie dagegen eher unsichtbare Spuren. Von ehemals 175 Mitarbeitern sind am größten Kinder- und Jugendtheater Deutschlands in Lichtenberg noch 91 übrig, und davon sind einige dauerhaft an andere Häuser ausgeliehen. Gleichzeitig wird hier noch genauso viel gespielt wie bisher. „Da stößt der Kunstbetrieb an seine Grenzen“, sagt Intendant Kay Wuschek. „Wir haben hier regelrecht die Planwirtschaft eingeführt. Da wird jeder Euro diskutiert.“

Gerade bei Engpässen, wenn etwa in der Weihnachtszeit noch jemand krank wird, ist Wuschek froh über jede zusätzliche Hilfe. Ohne die Unterstützung einer Ein-Euro-Kraft könnte beispielsweise niemand das große Kinder- und Jugendtheaterarchiv betreuen, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Als billige Arbeitskräfte will er die zehn Ein-Euro-Jobber im Theater aber nicht verstanden wissen. Schließlich sei diese Lösung sozialer, als die Arbeit von Praktikanten machen zu lassen. Das Haus werde mit Angeboten von Jobber-Vermittlungen überhäuft, sagt Verwaltungsdirektor Jürgen Lautenschläger. „Manche sind sogar so spezialisiert, dass sie gezielt Theaterberufe anbieten.“

Im Probe- und Spielbetrieb will er auf die Aushilfen aber möglichst verzichten – auch wenn er die Angst des Personalrats, ehemalige Kollegen könnten als Ein-Euro-Jobber wiederkommen, "Quatsch" nennt. Die ersten Ein-Euro-Jobber gab es an der Parkaue im November 2004. Die wurden allerdings hauptsächlich in der Bühnentechnik oder der Ankleiderei eingesetzt. Mittlerweile haben Ein-Euro-Jobber das Vorderhaus renoviert und von innen gestrichen, was seit Jahren überfällig war. Seitdem ersetzen sie im Theater den Hausmeister. Und wissen, dass sie unverzichtbar sind.

„Wenn wir nicht hier wären, würde das Ganze den Bach runtergehen“, sagt ein Mittfünfziger, „sonst müssten die hier Handwerksfirmen bestellen. Das ist eine rein finanzielle Frage.“ Der Mann hat früher Aufzüge gebaut. Jetzt ist er für die meisten Stellen zu alt. Dies ist bereits sein dritter Ein-Euro-Job. Er ist wütend auf die Arbeitsagentur, „die uns zur Ausbeutung freigibt“. Sein jüngerer Kollege, von Beruf Maler, schimpft über die „Sesselfurzer“ am Theater. „Als Ein-Euro-Jobber wirst du hier hingestellt als ein bisschen blöde im Kopf“, sagt er. „Offiziell machen wir ja nur Hilfsarbeiten“, aber mit ihrer Hilfe habe das Theater einiges gespart. An die Chance auf eine reguläre Stelle glauben die Männer nicht.

Im Personalrat sieht man das ähnlich. „Auf diese Weise gibt es doch keine Perspektive“, meint die Grafikerin Roswitha Weber. „Es kann nicht sein, dass das hier ein Billiglohnsektor wird“, ergänzt der Bühnentechniker Michael Kunz. „Bis 2009 haben wir Kündigungsschutz. Aber was kommt danach?“ Sein Kollege Lutz Raderecht sagt, die Qualität leide. „Du ziehst Arbeitskräfte ab, um immer wieder neue Jobber einzuarbeiten.“ Gleich darauf äußern sie aber alle wieder Verständnis für die Leitung. Sie müsse eben mit den wenigen Mitteln auskommen, ohne den Spielbetrieb einzuschränken. „Sonst kannst du dich gleich bei den Off-Theatern einreihen“, sagt Weber.

Wie viele der 36.000 Berliner Ein-Euro-Jobber im Kulturbereich arbeiten, sagen weder die Arbeitsagentur noch der Senat. Auch an anderen Theatern weiß man von nichts. Für Roswitha Weber ist der Grund klar: „Das wird halt überall bemäntelt.“

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