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Berlin: Fast wie im echten Amt

Comedy-Show über Behörden von zwei Frauen, die sich da gut auskennen

Wenn man die Realität zum Sketch verdreht, heißt das Comedy. Aber was, wenn die Realität den Sketch nachmacht?

Christine Schulze und Corie Rappich machen Witze über Ämter – und haben es dabei zweimal mit der Angst zu tun gekriegt. Als sie Sozial und Arbeitsamt zusammenlegten, weil das im Film besser funktioniert, und dann Hartz IV kam. Und als sie spielten, wie einer Arbeitslosen die Selbstständigkeit als Prostituierte vorschlagen wird und dann, im November 2003, das Arbeitsamt Berlin eine 25-Jährige an einen einschlägigen „Massage-Salon“ vermittelte. „Da kriegt man doch einen Schreck“, sagt Corie Rappich (25). Sie haben die Szene drin gelassen.

Seit kurzem ist ihr Programm in Charlottenburg auf der Bühne. Es heißt „The Winner takes it all – Ihr freundliches Sozialamt-Team“, eine Mischung aus Live-Sketchen, Filmeinspielungen und Liedern. Es ist ihr erstes Projekt, das eine gelungene Premiere feierte. Dabei sind die beiden Frauen nicht vom Fach, sie sind sozusagen vom Amt: Christine Schulze arbeitet bis heute als Betreuerin fürs Jugendamt, Corie Rappich hat mehrere Jahre als Sozialhilfeempfängerin im betreuten Wohnprojekt gelebt. Da haben die zwei Frauen sich kennen gelernt, zehn Jahre ist das her. Für die damals 15-jährige Corie Rappich war die Noch-Studentin Schulze die erste nette Betreuerin. Vorher hatte sie in zwei Pflegefamilien einmal zu viel Strenge und einmal zu viel Anteilnahme erlebt. Und Christine Schulze, damals 31 Jahre alt, bewunderte die Selbstständigkeit der Jugendlichen. Als das Betreuungsverhältnis an Rappichs 18. Geburtstag endete, blieben sie in Kontakt, hatten Gesangsunterricht beim selben Lehrer, machten bei dessen Schülerabenden Quatsch und lachten sich übereinander schlapp. So kam die Idee mit der Show.

Neun Rollen spielen sie, alles ist selbst gemacht, eine „Sauarbeit“, sagt Rappich. Sie haben Gags gemeinsam aufgeschrieben, ausprobiert, verworfen, verbessert, die Kostüme und Perücken dafür bei Humana und Woolworth zusammengesucht, einen Kameramann aufgetrieben und eine Maskenbildnerin, Leute, die Lampen halten, wenn gedreht wird, und zuletzt mussten sie noch eine Bühne finden. Für Anfänger nicht leicht.

Was sie vorführen, haben sie so oder so ähnlich selbst erlebt. Dass man im Arbeitsamt zuerst am Kundenservice- Team-Schalter ansteht, und wenn man dran ist, erfährt man nur, in welchem Wartezimmer man warten soll. Dass man im Sozialamt keine Nummern mehr zieht, sondern telefonisch Termine vereinbaren kann, aber Sachbearbeiter einem sagen: Dafür brauchen Sie keinen Termin, und den Hörer auflegen. Oder neulich, als der Balkon der Wohnfläche zugerechnet wurde und eine Familie ausziehen sollte. Aber auch die Behördenbesucher werden nicht geschont. Da ist Frau Sunny, die sich im Karibik-Urlaub für einen schönen Einheimischen verschuldet hat – und dann daheim den Job verlor. Oder die so feine wie schrille Frau Nowak aus Grunewald, die zwar alles hat, sich aber langweilt und deshalb mal zum Amt kommt, um echtes Elend zu sehen. Und da ist der „Antrag abgelehnt“-Stempel, der zu Therapiezwecken auf die Zuschriften geknallt wird.

Natürlich sei der Alltag in den Ämter oft richtig schlimm, aber gleichzeitig auch absurd und zum Lachen. „Man kann an den Umständen ja meist nichts ändern“, sagt Christine Schulze. Aber an seiner Einstellung. Wenn man drüber lache, schaffe man etwas Distanz. Und müsse vielleicht nicht verzweifeln. ari

„The Winner takes it all“, am 28./29./30. Mai und 4./5. Juni, 20.30 Uhr, Charlottchen, Droysenstraße 1, Charlottenburg, Karten: 11 Euro, erm. 8,50 Euro

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