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Berlin: Fegen für ein besseres Leben

Beim „Umfeldservice“ lernen ehemals Süchtige, ihren Alltag zu regeln

So viele Bewerbungen gab es für unsere Weihnachtsspendenaktion noch nie: Mehr als 160 Mappen von sozialen Vereinen gingen ein. Wir haben alle gesichtet und geprüft. Wegen der großen Nachfrage werden wir 2007 noch mehr Projekte bedenken. Derweil mehren sich die Anrufe von Lesern, die Sachspenden anbieten oder persönlich helfen wollen. Nun stellen wir ausgewählte Projekte vor – und bitten Sie, liebe Leser, um Spenden. Heute: Der Umfeldservice zur Resozialisierung ehemals Drogenabhänger.

Marcel W. hatte die besten Voraussetzungen für ein angenehmes Leben. Einen guten Schulabschluss, Ausbildungen zum Offsetdrucker und Immobilienkaufmann und die Aussicht, eines Tages die Druckerei seiner Eltern in Solingen zu übernehmen. Dass es mit dem vorgezeichneten Weg nicht klappte, lag an der Neugier des Mannes und ein bisschen auch an seinen Freunden. Über sie gelangte W. im Alter von 20 an Heroin, wurde erst abhängig, später kriminell. 15 Jahre lang.

Seit sechs Monaten nimmt Marcel W. nun an einem Methadonprogramm teil. Dass der 35-Jährige an den Therapieerfolg glaubt, liegt auch am Umfeldservice des Vereins „Die Werkstatt“, einer Einrichtung des Berliner Notdienstes für Suchtmittelgefährdete und -abhängige. Für den reinigt Marcel W. Straßen und Plätze in Schöneberg, an fünf Tagen in der Woche, gemeinsam mit 14 anderen ehemals Drogenabhängigen. Resozialisierung im Dienste des Allgemeinwohls.

„Bei uns sollen die Teilnehmer lernen, ihren Tag zu strukturieren“, sagt Andrea Hardeling, die Leiterin der Einrichtung. Früh aufstehen, zur Arbeit gehen, sich selbst organisieren: Was für andere Menschen eine Selbstverständlichkeit ist, daran müssen sich ehemalige Junkies erst gewöhnen. Seit 1999 hilft ihnen der teils vom Quartiersmanagament finanzierte Umfeldservice dabei. In seinem Büro an der Nollendorfstraße betreut er derzeit 15 Männer und Frauen. Einige wie Marcel W. leisten hier Strafen in Form von Sozialstunden ab; andere bessern ihre Sozialhilfe auf; wieder andere kommen einfach nur, um unter Menschen zu sein.

Die Vorgaben beim Umfeldservice sind strikt. Es beginnt mit nüchternem und pünktlichem Erscheinen. Um zehn Uhr ziehen sie mit einer Gärtnerin los, beseitigen auf Spiel- und Sportplätzen den Müll, sammeln entlang der durch den Drogenstrich berüchtigten Frobenstraße gebrauchte Drogenspritzen, Glasflaschen, benutzte Kondome ein. Ausrangiertes Werkzeug nutzen sie dabei. Es fehlen aber Schubkarren, Besen, im Winter dicke Jacken und Schutzhandschuhe.

„Die Teilnehmer machen diese Arbeit gerne, sie haben das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun“, sagt Andrea Hardeling. Langsam will man sie so auf eine Beschäftigung vorbereiten. Deshalb werden auch PC-Kurse und Bewerbungstraining angeboten. Einmal hat die Vermittlung 2006 bereits geklappt. Eine 28-Jährige begann eine Ausbildung zur Gärtnerin. Auf Erfolg hofft auch Marcel W. Nachdem er seine Sozialstunden wegen wiederholten Schwarzfahrens abgearbeitet hat, will er Bewerbungen verschicken. Und so sein Leben wieder in geregelte Bahnen lenken.

Das Spendenkonto: Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse, Kto.-Nr.: 25 00 30 942, BLZ: 100 500 00. Onlinebanking ist möglich. Notieren Sie Name und Anschrift für den Spendenbeleg. Internet: www.tagesspiegel.de/spendenaktion.

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