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Über Kopf. Den Bezirksämtern mangelt es an qualifiziertem, jungen Personal.

© dpa

Fehlende Stellen in Berliner Bezirken: Grüne Stadträte rügen Personalnotstand

Nichts geht mehr in den Berliner Bezirken. Nicht einmal jene Aufgaben können noch vollständig wahrgenommen werden, zu deren Erfüllung sie gesetzlich verpflichtet sind. Grüne Stadträte rügen nun erneut die Personalnot in den Ämtern.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wenn nicht genug Zahnärzte da sind, um alle Schul- und Vorschulkinder in Berlin regelmäßig zu untersuchen, dann ist was faul. Nicht nur im Backenzahn. Es fehlt den Bezirksämtern an qualifiziertem, jüngeren Personal. Nicht einmal jene Aufgaben können noch vollständig wahrgenommen werden, zu deren Erfüllung die Bezirke gesetzlich verpflichtet sind. Deshalb schlagen die Stadträte und Finanzexperten der Grünen jetzt Alarm. Nicht zum ersten Mal.

„Manche Mitarbeiter können nachts nicht mehr schlafen“, sagt der Sozialstadtrat von Mitte, Stephan von Dassel. „Vor ihnen stapeln sich die Akten über Menschen, denen sie gern helfen würden, aber irgendwann ist ja auch Dienstschluss.“ Vor sechs Jahren hatte das Sozialamt im City-Bezirk etwa 158 000 Fälle zu bearbeiten, von der Pflegehilfe über die Grundsicherung im Alter bis zu Asylbewerberleistungen. Im laufenden Jahr sind es schon 221 000 Fälle. Im Jahr 2016 werden es voraussichtlich 252 000 Einzelfälle sein. Um dies zu bewältigen, bräuchte das Amt 18 Vollzeitstellen mehr, aber die gibt es nicht.

In anderen Bezirken ist die Lage nicht besser. „Auch wir können die gesetzlich vorgeschriebenen Dienstleistungen nicht mehr flächendeckend erbringen“, sagt Sybill Klotz, Gesundheits- und Sozialstadträtin in Tempelhof-Schöneberg. Dort fehlen dem Gesundheitsamt nicht nur Zahnärzte, sondern auch Mediziner für die Schuleingangsuntersuchung. Der Senat habe schon vor geraumer Zeit zugesagt, dass für unabweisbare Aufgaben, die von den Bezirken zusätzlich geleistet werden müssen, auch mehr Stellen zur Verfügung gestellt würden. „Aber ich sehe keine Bereitschaft, mit uns darüber zu sprechen“, sagt Klotz. Allein in ihrem Ressort gebe es bis Mitte 2014 mehrere neue Gesetze und Verwaltungsvorschriften, an die sich das Amt halten müsse. Dabei geht es beispielsweise um die Überprüfung der Krankenhaus-Hygiene und der Trinkwasserqualität, um die Bekämpfung von Sozialhilfe-Missbrauch und die Betreuung von Asylbewerbern. Ohne mehr Personal sei das nicht zu leisten.

Drohende Schließungen durch fehlende Stellen

Die Vergabe von Dienstleistungen an private Betriebe sei keine Lösung des Problems, sagt die neue Finanzstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg, Jana Borkamp. Denn die Mitarbeiter im Bezirksamt fehlten „querbeet“, und nicht nur in Bereichen, die sich auslagern ließen. Borkamp macht deutlich, dass schon wenige fehlende Stellen ganze Einrichtungen und Behörden lahmlegen können. „Fünf Stellen weg, und eine Bezirksbibliothek muss geschlossen werden. Neun Stellen weniger, und ein Bürgeramt muss dichtmachen.“

Die Haltung des Senats zur Personalnot in den Bezirken, die übrigens nicht nur von den Grünen beklagt wird, ist klar: Bis 2016 soll es in der Hauptverwaltung nur noch 80 000 und in den Bezirken 20 000 Vollzeitstellen geben. Es sollen bis dahin also noch Stellen gestrichen werden, um das Soll zu erfüllen. In zähen Verhandlungen mit den Bezirken wurden die Sparvorgaben im vergangenen Jahr ausgehandelt. Der letzte Bezirk, der seinen Widerstand aufgab, war Treptow-Köpenick.

Bezirke "am Ende der Nahrungskette"

Ein neues Personalentwicklungskonzept für den Berliner Landesdienst soll nun dafür sorgen, dass trotz der geplanten Stellenkürzungen genügend qualifiziertes Personal bleibt und neu ausgebildet wird, um die kommunalen Dienstleistungen erbringen zu können. Das Senatskonzept liegt aber noch nicht vor, obwohl die parlamentarischen Beratungen für den Haushalt 2014/15 schon begonnen haben.

Die rot-schwarze Landesregierung ist offenbar der Meinung, dass die Bewältigung zusätzlicher kommunaler Dienstleistungen fast ausschließlich eine Sache der Bezirke ist. So beantwortete die Bildungsverwaltung des Senats eine parlamentarische Anfrage zur Personalausstattung der Jugendämter folgendermaßen: „Die Bezirke sind verpflichtet, die Leistungsfähigkeit der Ämter sicherzustellen. Die Verantwortung für die Umsetzung ihrer Personal- und Organisationsstandards liegt in den Bezirken.“

Die Grünen-Haushaltsexpertin Stefanie Remlinger will den Senat aber nicht aus der Verantwortung entlassen. Statt zu helfen, „schieben sich die Finanz- und Innenverwaltung gegenseitig die Verantwortung für ein verfehltes Personalmanagement zu“. Eindeutig stünden die zwölf Bezirke derzeit „am Ende der Nahrungskette“.

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