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In ihrem Element. Der bekennende Fleischsalat-Fan, Schauspieler Dietmar Bär, der gerade erst zum Berliner Meisterkoch gekürte Markus Semmler sowie Gastgeber und Küchenchef Andreas Lochner beim Test (v. l.).

© Kitty Kleist-Heinrich

Feinkosttest: Tatort-Kommissar testet Fleischsalat

Muss Fleischsalat wirklich sein? Bei der Probierrunde mit dem Tatort-Kommissar Dietmar Bär.

Manche Bilder wollen nie vergehen. Eines von ihnen stammt aus einem Ford Granada. Im Fußraum des Beifahrersitzes haben sich Bierflaschen und Colabüchsen angesammelt, zerknülltes Einwickelpapier, ein Labello, zwei Parkscheiben. Auf dem Sitz eine Kompaktkassette mit Bandsalat sowie eine angebrochene Packung Fleischsalat Lautréamonts. Während das Szenario nicht verblasst, haben sich die Wege seiner Protagonisten getrennt. Längst sind Kassette samt Rekorder auf dem Müllhaufen der Elektronikgeschichte gelandet. Aber den Fleischsalat gibt es als Marke immer noch.

Es gibt Gründe, warum eine eigentlich obsolete Speise wie Fleischsalat sich behauptet. In ihm verknoten sich Resteverwertung und der Drang nach Verfeinerung. Besonders, wenn noch Mayonnaise und Gurke anstelle einer Vinaigrette zum Zuge kommen, schwingt sich der Fleischsalat fast schon zum Fertiggericht auf. So unkomplett er sein mag, besitzt er doch den Vorteil, dass jeder ihn überall leicht verzehren kann. Man braucht nur eine Gabel und vielleicht noch einen Kanten Brot. Und einen guten Magen.

Zu seinem Test dagegen bedarf es mehr. Unerschrockenheit ist gefragt und Ausdauer, wenn es darum geht, das umfangreiche Fleischsalatangebot der Berliner Supermärkte einem Urteil zu unterwerfen. Andreas Lochner und Gerlinde Lochner-Kern verfügen über diese Eigenschaften, ohne dass die Speisen in „Lochners Weinwirtschaft“ etwas davon berichten würden. Vielmehr wird die Interpretation der (süd-)deutschen Traditionsküche dort getragen von seltenem Feingefühl.

Das gilt nicht nur für geschmälzte Kartoffeln mit gebratenen Kabeljauwürfeln, Beten und Meerrettich, sondern auch für den Wurstsalat mit Radieschenstiften, den der fränkische Koch selbstverständlich mit Essig und Öl anmacht. Obwohl Gourmets den mayonnaisebasierten Fleischsalat beinahe schon als Antispeise ansehen, wunderte Lochner sich nicht, dass an einem der heißesten Tage des Jahres weit über ein Dutzend Mitglieder der monatlichen Testrunde im Restaurant in der Eisenacher Straße Platz nahmen. Es ging um einen großen Unbekannten des Alltags.

Feinkosttest für Fleischsalat.
Feinkosttest für Fleischsalat.

© photocrew - Fotolia

Fleischsalat mit kalter Rauchnote

Seine Verstellungskunst endet ja nicht damit, dass gewachsenes Fleisch selten Bestandteil ist und an dessen Stelle Wurststreifen getreten sind, bevorzugt von der Lyoner. Das Verwirrspiel setzt sich fort mit dem, was zuweilen auf dem Etikett als „Fleischsalatgrundlage“ deklariert wird. Mithilfe von Milch- oder Hühnereiweiß, Stärke und weiteren Zutaten aus dem Schlachtgewerbe zubereitet, könnte man es als Analogfleischkäse ansehen.

„Fürstenkrone Delikatess Fleischsalat“ und „Schildauer Fleischsalat mit Gurke“, beide von Netto, Edekas „Gut& Günstig Delikatess Fleischsalat laktosefrei“ sowie der wie mit kalten Rauchnoten versetzt wirkende „Vitakrone Fleischsalat“ von Lidl einte dann auch die sogenannte Textur: eine ins Schaumige spielende Beschaffenheit, ähnlich einem Marshmallow. „Wenn ich mich mit ein paar Streifen der Einlage näher beschäftige“, sagte Jurymitglied Dietmar Bär, „dann weiß ich nicht, ob Hund, Katz’ oder Maus.“ Der Befund des Schauspielers lässt sich nur mit Mühe auf Rewes „Ja! Fleischsalat“ ausdehnen. „Da hat sich etwas Fleisch in die Mayonnaise geschlichen“, kommentierte Food-Bloggerin Skrollan Jula Olschewski.

Den wenig günstigen Eindruck, den auch der festere, sogar etwas knorpelig wirkende „Homann Feiner Fleischsalat“ hinterließ, führte Lochner auf einen unangenehmen Fetteindruck zurück, der weder von Gurke (und ihrem Wasser), Essig und einer durchweg präsenten Süße aufgebrochen wird.

Die Auswahl!
Die Auswahl!

© Kitty Kleist-Heinrich

Beim etwas dumpf riechenden Markenkonkurrenten „Nadler Delikatess Fleischsalat“ entwand sich das Öl bereits wieder seiner Eibindung. Der ganz leicht mit Nelkentönen odorierte „Popp Fleischsalat Unser Klassiker“ von Edeka, der unwesentlich bessere „Popp Bio-Fleischsalat“ und der auf der Zunge mehlige „Gutfleisch Feinster Fleischsalat“ von Reichelt, dessen markante Süße mit einer eher flüssigen Konsistenz Zwiesprache hielt, der gleichermaßen zuckrige „Butter Lindner Fleischsalat mit Salatmayonnaise“ sowie der enorm fettige „Grünhof Bio-Fleischsalat“ von Bio Company schlossen das Feld der Teilnehmer ab, deren Benotung von mangelhaft bis gerade noch ausreichend ging.

Berliner Traditionserzeugnis

Einen fast befriedigenden Eindruck hinterließen das Berliner Traditionserzeugnis „Pfennigs Fleischsalat Klassiker“ und sein Brandenburger Pendant, der würzigere „Golßener Spreewälder Pusztasalat“ aus der Galeria Kaufhof. Bei beiden waren Säure und Süße gut auf feinstreifiges Brät abgestimmt, sodass die etwas steife Mayonnaise Belebung erfuhr. Überdies schlugen zum ersten Mal ganz leicht Knoblauch und Muskat durch.

Nicht nur wegen einer leisen Currynote erschien der luftige „Goedeken Gourmet Metzger Fleischsalat“ aus dem Frischeparadies akzentuierter und beim Wurstthema konsistenter. Hier pendelt die Tunke zwischen Mayonnaise und Dressing, zwischendurch ist Senfsaat zu spüren, nur die Süße macht im letzten Augenblick einen kleinen Strich durch die Rechnung.

Beim harmonisch gewürzten „Ofterdinger Delikatess Fleischsalat mit Gurke“ von Aldi glaubte Andreas Lochner wirklich auf eine Wurst mit Knack zu beißen. Mit mehr Nuancen ausgestattet kam der runde „Kühlmann Frische Genuss Fleischsalat“ von Edeka vor – ein Sieger, der keines Lorbeers oder anderer Gewürze bedarf.

Doch obgleich die Mayonnaise gut abgeschmeckt ist und die Gurken nicht so feucht sind wie bei den meisten Konkurrenten, gehört er immer noch nicht ins Reich der Delikatessen. Dietmar Bär servierte der Runde dann einen Mayonnaisesalat, der auf dem Weg dorthin ist: Vianas „Vleischsalat vom Tofutier“. Er erinnert geschmacklich wie von der Konsistenz an einen Hummercocktail – aber das ist eine ganz andere Geschichte.

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