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Umweltzone

© dpa

Feinstaubbelastung: Die Luft ist noch nicht rein genug

Die Berliner Luft ist sauberer geworden - aber noch nicht sauber genug. Weitere EU-Richtlinien zu Stickoxiden und Feinststaub zwingen die Landesregierung ab 2010 zum Handeln.

Der Autoverkehr in Berlin hat seit 2002 um rund zehn Prozent abgenommen – und das zuletzt immer schneller: Von 2007 bis 2008 ermittelte die Umweltverwaltung ein Minus von 3,9 Prozent in der Umweltzone. An dem seit Anfang 2008 geltenden Fahrverbot für Stinker hat es offenbar nicht gelegen, denn im übrigen Stadtgebiet ging der Verkehr binnen Jahresfrist sogar um 6,3 Prozent zurück. Eine mögliche Erklärung könnten die hohen Spritpreise des vergangenen Jahres sein. Auch der Lkw-Verkehr ging seit 2002 um etwa 10 Prozent zurück.

Dem Senat kommt diese Tendenz entgegen, weil er mit mehreren EU-Richtlinien zur Luftqualität zu kämpfen hat. Die seit 2005 verbindliche Feinstaub-Vorgabe, deretwegen auch die umstrittene Umweltzone im vergangenen Jahr eingeführt wurde, war erst der Anfang. Weil die medizinische Forschung immer deutlicher zeigt, dass die bisherige Richtlinie unzulänglich ist, hat die EU nachgelegt: Auf Feinstaub folgt Feinststaub, und auch andere Abgase sollen in den nächsten Jahren reduziert werden.

Wichtigste Neuerung ist die EU-Richtlinie zu den für Menschen und viele Pflanzenarten gleichermaßen schädlichen Stickoxiden, die im nächsten Jahr verbindlich wird. „Deren Einhaltung wird in Berlin 2010 eher nicht gelingen“, sagt Martin Lutz, Referatsleiter Luftreinhaltung bei der Umweltverwaltung. Berlin wird also auf die eingebaute Gnadenfrist der EU zurückkommen müssen, die bis 2015 gelte – unter der Voraussetzung, das bis dahin alles, was notwendig und angemessen ist, gegen die Belastung unternommen worden ist. Deshalb sperrt der Senat ab 2010 die Fahrzeuge mit roten Plaketten aus der Innenstadt aus. Mit gelber Plakette kommt nur noch rein, wer nachweislich keine „grüne“ Abgastechnik nachrüsten kann; entsprechende Typenlisten sollen Prüfstellen wie Tüv, Dekra und GTÜ erhalten.

Wie sehr das die Wirtschaft trifft, zeigt eine von der Umweltverwaltung präsentierte Video-Auswertung des Stadtverkehrs vom vergangenen Jahr: 38 Prozent der registrierten Last- und Lieferwagen hatten gelbe, 14 Prozent rote und zehn Prozent gar keine Plaketten. Die Zahlen unterschieden sich innerhalb und außerhalb der Umweltzone nur minimal. Die „Grünen“, die auch nach 2010 freie Fahrt haben, waren bei den Lkw mit 38 Prozent in der Minderheit. Besser sah es bei den Pkw aus, weil die zumeist Benzinmotoren mit Katalysator haben: 87 Prozent waren bereits „grün“.

Nach Auskunft von Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat Berlin beim Bund vergeblich darauf gedrängt, eine Nachrüstförderung oder eine Art „Abwrackprämie“ für alte Nutzfahrzeuge ins Konjunkturpaket aufzunehmen.

Der besonders gesundheitsschädliche ultrafeine Staub – insbesondere Partikel aus ungefiltertem Dieselruß – soll ab 2015 gesenkt werden. Referatsleiter Lutz ist optimistisch, dass der dann geltende Jahresmittelwert eingehalten wird. Die winzigen Partikel sind jedoch derart leicht, dass sie bei der aktuellen Feinstaubrichtlinie im Wortsinne kaum ins Gewicht fallen.

Insgesamt 35 Feinstaub-Überschreitungstage sind laut EU zurzeit erlaubt, maximal 24 waren es 2008 an Berliner Messstellen. Ohne Umweltzone wären es 28 gewesen, haben die Verwaltungsstatistiker ausgerechnet. Für die zweite Stufe ab 2010 erwarten sie zehn bis 15 vermiedene Überschreitungstage – immer auch abhängig vom Wetter. Der trocken-kalte und windarme Jahresbeginn trübt schon jetzt die 2009er-Bilanz: Mit 24 Überschreitungstagen an der Frankfurter Allee ist bereits der Wert des gesamten Vorjahres erreicht.

Radikalere Aktivitäten im Namen der Luftqualität schließt die Umweltsenatorin aber vorerst aus: „An eine flächenmäßige Erweiterung der Umweltzone ist nicht gedacht“, sagt Katrin Lompscher (Linke). Und weiter verschärfte Abgasnormen sind ohne eine neue Plakettenverordnung vom Bund nicht möglich: Grüner als grün geht zurzeit nicht.

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