zum Hauptinhalt

Berlin: Ferien vom Kalten Krieg

Der kleine Harry Heyer kam mit Cowboygurt vom Urlaub im Westen zurück. Eine Ausstellung erinnert an die Kinderluftbrücke im Berlin der 50er Jahre

Als Harry Heyer aus dem Urlaub zurückkam, war alles anders. Der Junge war zu Besuch in Ramstein gewesen, bei einer amerikanischen Soldatenfamilie. Harry Heyer war damals ein Kind, hatte aber schon viel hinter sich. Den Krieg hatte er erlebt, seine Eltern waren mit ihm geflohen: von Güstrow nach West-Berlin. Es waren harte Zeiten. Und dann bekam er plötzlich diesen Urlaub, sah, hörte und schmeckte mal was anderes als das übervolle Berlin. An die Geschenke seiner Gasteltern kann sich der heute 57-Jährigen noch genau erinnern: „Einen Cowboygürtel mit zwei reich verzierten Pistolentaschen.“ Damit sei er zu Hause der King gewesen.

Harry Heyer war eines von gut 10000 Kindern, die in den Jahren 1953 bis 1957 urlaubsweise aus West-Berlin ausgeflogen wurden – von der Kinderluftbrücke. So nannte sich das in Anlehnung an die Luftbrücke, über die Kohlen, Kartoffeln und Care-Pakete nach West-Berlin gelangten. Die Ausstellung „Ferien vom Kalten Krieg“, die gerade im Alliiertenmuseum eröffnet wurde, erinnert an jene Zeit mit Fotos und Dokumenten, Filmbeiträgen und Zeitzeugeninterviews. Ausstellungskurator Bernd von Kostka sagt: „Je intensiver wir uns mit dem Thema beschäftigt haben, desto spannender wurde es.“

Schon bald nach dem Beginn der Teilung, als die beiden deutschen Staaten proklamiert worden waren, flohen die Menschen zu Zigtausenden aus der DDR. Allein in den Jahren 1952 und 1953 mussten 420 000 DDR-Flüchtlinge in West-Berlin untergebracht werden. 80000 Kinder unter 14 Jahren, die mit ihren Eltern gekommen waren, lebten in den Aufnahmelagern der Stadt, wo jedem Flüchtling nur vier Quadratmeter Raum zur Verfügung standen.

Der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) und die US Air Force waren entscheidend daran beteiligt, die Idee einer Kinderluftbrücke zu realisieren. Für einige Wochen „Ferien vom Kalten Krieg“ sollten Schulkinder aus Berlin zu deutschen und amerikanischen Gastfamilien geflogen werden. Zum Beispiel auch Dorit Ziegler: Sie war 1945 mit Mutter und drei Geschwistern aus Schlesien nach Berlin gekommen, flog mit einer amerikanischen Transportmaschine voller Kinder 1956 nach Bitburg, wohnte bei amerikanischen Vize-Eltern und hatte so wenigstens für sechs Wochen einen Daddy – der eigene war im Krieg vermisst. Am tollsten, sagt die 61-Jährige heute, war das Essen, „es gab alles, das war für uns wie ein Wunder“. Dem Alliierten-Museum gelang es übrigens, die damaligen Gastgeber von Harry Heyer ausfindig zu machen – sie leben in Montana. Die heute 91-jährige Vize-Mutter rief begeistert ins Telefon: „Hey, Harry, how are you?“

Außer Zeitzeugen von damals waren bei der Ausstellungseröffnung der US-Air-Force-Brigadegeneral Jay Lindell dabei und auch Peter Boenisch. Der Publizist hatte damals als Referent im NWDR die Fäden der Hilfsaktion geknüpft. Der Sender hat dabei unversehens einen Slogan erfunden, der bis heute für Hilfsbereitschaft steht: Ein Platz an der Sonne.

„Ferien vom Kalten Krieg“, bis 12. April, Do - Di. 10 bis 18 Uhr, Alliierten-Museum Clayallee 135, Eintritt frei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false