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Berlin: Ferienende – jetzt gehen Lehrer in die Lehre

Weil sich die Schüler kaum noch für den Frontalunterricht begeistern, erweitert der Senat sein Projekt zur Unterrichtsreform

Eine sanfte Revolution erfasst Berlins Schulen: Tausende Lehrer drängen sich darum, ihren Unterricht zu reformieren und mit neuen Methoden die Schüler bei der Stange zu halten. „Eigenverantwortliches Lernen“ heißt das Rezept, das schon in 43 Modellschulen erprobt wird. Infolge des großen Erfolgs – und angestachelt durch Pisa – hat die Schulverwaltung jetzt beschlossen, an rund 40 weiteren Schulen die zweijährige Fortbildung zu fördern. Auch viele Berufsschulen wollen dabei sein.

„Die Lehrer brauchen Unterstützung“, begründet Schul-Staatssekretär Thomas Härtel (SPD) die Bereitschaft, eine weitere Million Euro in das Projekt „Pädagogische Schulentwicklung“ zu investieren. Damit werden unter anderem die Lehrer bezahlt, die als „Trainer“ ihr Wissen an die Kollegen weitergeben.

Dass diese systematische Unterrichtsentwicklung zwei Jahre dauert, hat seine Gründe. Es geht nämlich um den Abschied vom „Frontalunterricht“, bei dem der Lehrer quasi als Alleinunterhalter das Wissen vermittelt. Die „Pädagogische Schulentwicklung“ ermöglicht, dass der Schüler ins Zentrum rückt, indem er sich das Wissen weitgehend selbstständig – „eigenverantwortlich“ – aneignet, das Gelernte visualisiert und präsentiert. Die Voraussetzungen dafür liefert der Lehrer: Er steuert das gut vorbereitetet Material bei und moderiert die Gruppenarbeit der Schüler.

Den Schülern gefällt ihre deutlich aktivere Rolle offenkundig. Dies ergab eine Befragung der rund 6000 beteiligten Jugendlichen. Sie fanden den Unterricht spannender und resümierten, dass sie gelernt hätten, frei zu sprechen und Referate zu halten, berichtet Projektleiterin Barbara Duske-Mernberger vom Landesinstitut für Schule und Medien.

Wolfgang Harnischfeger, Leiter des Lankwitzer Beethoven–Gymnasiums, wundert sich nicht über den großen Erfolg des Projekts. „Die Schüler haben sich verändert. Es gibt weniger, die über bloßes Zuhören lernen“. Dem komme das eigenverantwortliche Lernen, die aktivere Rolle, entgegen. Er räumt ein, dass gerade die Gymnasien in der Vergangenheit zu wenig Wert auf Methodentraining gelegt hätten. Deshalb ist auch seine Schule beim Projekt dabei: Rund die Hälfte des Kollegiums nach den neuen Methoden unterrichtet. Bei denen, die nicht mitmachen wollen, sei dies oft „eine Altersfrage“.

Je mehr sich die Erfolgserlebnisse der Lehrer und Schüler herumsprechen, desto stärker ist die Nachfrage nach dem Programm. So lassen sich jetzt rund 200 Pädagogen aus den 43 Modellschulen qualifizieren, weil sie nach anfänglichen Zweifeln erkannt haben, dass die Methoden funktionieren. Vor allem aber wollen weitere Schulen mit ins Boot. „Wir kämpfen mit den Massen“, beschreibt Projektleiterin Duske–Mernberger die Nachfragesituation. Sie kann längst nicht alle Anmeldungen berücksichtigen, selbst wenn 2003 für weitere 40 Schulen das Geld bereitgestellt wird.

Wartelisten gibt es aber nicht nur für die zweijährige Betreuung als Modellschule. Auch die zweitägigen Crashkurse sind sehr gefragt. Bisher haben sich 3800 Berliner Lehrer auf diesem Wege einen Einblick in die Methoden des Pfälzer Schulreformer Heinz Klippert verschafft, der die „Pädagogische Schulentwicklung“ seit 1996 in mehreren Bundesländern etablierte.

Viele Kollegien versuchen jetzt, auf Grundlage dieser Einführungskurse und eigener Klippert-Lektüre an ihren Schulen die neuen Methoden zu installieren. So saßen etwa einige Lehrer des Wittenauer Oberstufenzentrums Druck- und Medientechnik schon vor Ferienende in ihrer Schule, um sich aufs „Klippern“ vorzubereiten. „Viele Kollegen haben darauf gewartet, so einen Anreiz zu bekommen“, begründet Schulleiter Pit Rulff den Elan, mit dem seine Kollegen dem Projekt begegnen.

Rulff ist sich mit Staatssekretär Härtel darin einig, dass die neue Methodik von vielen Lehrern als rettender Strohhalm empfunden wird, den sie unbedingt ergreifen wollen, um im Schulleben nicht unterzugehen. „Denn die neue Schülergeneration ist nicht geeignet für Frontalunterricht“, steht auch für Rulff fest. Susanne Vieth-Entus

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