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So sehen sie aus: Ferienwohnungen in Berlin.

© Picture Alliance / dpa

Ferienwohnungen in Berlin: Endlich Leben in der Bude!

Alle sind gegen Ferienwohnungen, der Senat will sie verbieten. Alle? Ach wo! Ein uralteingesessener Berliner erklärt, warum er sich über seine neuen Kurzzeitnachbarn freut.

Das Haus im Bayerischen Viertel, in dem ich seit beinahe 19 Jahren lebe, so dass ich mich mit Fug und Recht als „Eingesessener“ dieses Teils von Schöneberg bezeichnen darf, hat lange Zeit kaum Veränderungen erlebt. Die Vorderhauswohnungen werden von denselben Menschen bewohnt wie eh und je; nur dass die jeweiligen Kinder zumeist groß geworden und irgendwann ausgezogen sind. In den Seitenflügeln mit ihren kleinen Mietwohnungen geht es seit einiger Zeit hektischer zu. Neue Eigentümer, neue Nutzer – und augenscheinlich keine Langzeitmieter, sondern Touristen. Im Durchgang des schmucken Altbaus begegnet man seither Italienern, Amerikanern, Japanern; manche mit gewaltigen Rollkoffern, manche mit Rucksack und Rollbrett. Im grünen Hinterhof, früher ein Hort der Stille, geht es jetzt bisweilen etwas lauter zu, um so mehr, als an lauen Sommerabenden gerne mal bei offenen Fenstern gebechert und gesungen wird.

Die Ferienwohnung als Zweckentfremdung?

Warum auch nicht. Früher, als ich in einem Kreuzberger Hinterhaus lebte, zweiter Hof vierter Stock ohne Aufzug und dafür Außentoilette, waren die Sommerabende auch nicht immer still. Da waren es dann die „Eingesessenen“, die im Feinripp aus den Fenstern lehnten und dabei ihre Flaschen leerten. Kein Beck’s, sondern Kindl.

Ist das schon die viel beschworene Gentrifizierung? Ach wo. Das Quartier ist überaltert genug, und die Ferienwohnungstouristen, oft Familien mit erkennbar gutem Haushaltseinkommen, sorgen für dringend erwünschte Belebung. Doch nun kommt da jene Missbrauchsverordnung bezüglich sogenannter „Zweckentfremdungen“, die der Senat vor der Sommerpause beschloss und die nun nur noch das Abgeordnetenhaus passieren muss. Touristen in Privatwohnungen seien demnach Missbrauch, die Wohnungen würden dem Markt entzogen, was so viel heißen soll wie: Kämen die betreffenden Wohnungen auf den Markt, würden Geringverdiener und knapsende Familien eine dauerhafte Bleibe finden. Das ist, gelinde gesagt, eine Vorstellung aus der sozialdemokratischen Traumküche.

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Bernhard Schulz
Bernhard Schulz

© Kai-Uwe Heinrich

„Gentrifizierung“ ist ein Schreckenswort. Es soll Alarm auslösen. Dabei wird übersehen, dass eine Stadt in Bewegung bleiben muss. Gewiss, was über einige Ost-Berliner Quartiere und dies recht plötzlich gekommen ist, lässt sich als Gentrifizierung beklagen, stellt aber nur die von der DDR jahrzehntelang aufgeschobene Bestandspflege dar. Das Bayerische Viertel hingegen, einst in der Einkommensstatistik ganz oben, wird heute zu einem erheblichen Teil von weniger kaufkräftigen Rentnern bewohnt – Leuten, die dort vor fünfzig Jahren eingezogen und seither geblieben sind (man kann es an der Zahl der Apotheken, Optiker und Hörgeräteläden abschätzen). Die einstigen Sozialwohnungen aus dem Fünfziger-Jahre-Programm „Berlin baut auf“ sind seit dem Wegfall der Preisbindung und ihrer anschließenden, zumeist ansehnlichen Modernisierung als Eigentumsanlage höchst beliebt – dank Vorkaufsrecht zumeist von ihren Mietern erworben.

Nicht mehr als heiße Luft

Als Ende der zwanziger Jahre die „Großsiedlung Onkel Tom“ in Zehlendorf errichtet wurde, und zwar von der Stadt Berlin, sollte sie weniger betuchten Bürgern ein Leben in Licht, Luft und Sonne ermöglichen, wie es zuvor nur den Reichen vorbehalten war. Heute sind die Reihenhäuer von Onkel Tom privatisiert. Und es muss ordentlich Geld auf den Tisch legen, wer eines der früheren Geringverdiener-Häuschen erwerben will. Auch so herum funktioniert Gentrifizierung. Sie bezeugt, dass sich die Stadt beständig verändert und erneuert. Und wo es an Erneuerung mangelt, wo die Eingesessenen zu Alteingesessenen werden und eines Tages – der Autor dieser Zeilen eingeschlossen! – zu Uralteingesessenen, da bringen Ferienwohnungen – oder sagen wir: „Freunde, die mal kurz bei Freunden unterkommen“ – Farbtupfer ins Alltagsgrau. Leben in die Bude. Andere Stimmen, andere Sprachen; auch andere Sitten, die nicht jedem gefallen. Als ob einem die eingesessenen Sitten immer gefielen! Kurzum, das Zweckentfremdungsverbot des Senats ist heiße Luft, und wir Berliner werden es zur Kenntnis nehmen wie alle gescheiterten Vorstöße zuvor: mit Achselzucken und Amüsemang.

Früher waren es die Eingesessenen, die im Feinripp aus den Fenstern lehnten und ihre Flaschen leerten.

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