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Berlin: Feste Betreuungszeiten: Nach dem Unterricht kommt der Erzieher

Vor einer übereilten Einführung fester Betreuungszeiten in allen Grundschulen haben jetzt Berliner Bildungsforscher gewarnt. Es reiche nicht, ein paar zusätzliche Erzieherinnen zu finanzieren.

Vor einer übereilten Einführung fester Betreuungszeiten in allen Grundschulen haben jetzt Berliner Bildungsforscher gewarnt. Es reiche nicht, ein paar zusätzliche Erzieherinnen zu finanzieren. Die Lehrer müssten bereit sein, ihre Arbeitsabläufe zu verändern und an dem Konzept mitzuwirken. Andernfalls verkomme dieser Teil der Grundschulreform zur reinen "Beaufsichtigung" nach Unterrichtsschluss, warnen die Forscher in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Bericht an die Senatsschulverwaltung. Sie empfehlen deshalb nur den allmählichen Ausbau der so genannten Verlässlichen Halbtagsgrundschule.

Das vor allem bei berufstätigen Eltern beliebte Reformmodell war seit seiner Einführung 1998 von der Hochschule der Künste (HdK) wissenschaftlich begleitet worden. Sie wertete die Erfahrungen an den 45 beteiligten Schulen jetzt aus. Ihr Zwischenbericht ist umso brisanter, als sich Schulsenator Klaus Böger (SPD) die flächendeckende Durchsetzung der festen Öffnungszeiten noch für diese Legislaturperiode vorgenommen hat. Zurzeit gibt es feste Betreuungszeiten nämlich nur an den 45 Versuchsschulen, den Europaschulen und im Ost-Teil. 220 Grundschulen im West-Teil sind damit noch unversorgt. Die Kinder müssen nach ihren oftmals nur drei oder vier Unterichtsstunden nach Hause oder in den Hort gehen. Ohne Hortplatz bedeutet dies, dass ein Elternteil nicht einmal einer Halbtagsbeschäftigung nachgehen kann.

Dennoch will das Wissenschaftlerteam um Professor Jörg Ramseger von der Arbeitsstelle Bildungsforschung bei der Ausweitung der Reform auf die Bremse treten. Ramseger kann sich vorstellen, dass pro Jahr "vielleicht 10 oder 20 Schulen hinzukommen" - zunächst vorrangig Schulen in sozialen Brennpunkten. Anders als bisher solle aber die Betreuungszeit nicht einfach an den Unterricht herangehängt werden, fordert er. Dann würden die Kinder nämlich "wie auf einem Verschiebebahnhof" zwischen verschiedenen Bezugspersonen hin- und hergeschickt, also morgens um 7 Uhr beim Erzieher, dann beim Lehrer, in Freistunden beim Erzieher, dann wieder beim Lehrer und nach Unterrichtsschluss beim Erzieher. Hier sei die "Verlässlichkeit" ausschließlich als Sache der Erzieher betrachtet, "während sich die Lehrer überwiegend nicht in der Pflicht sehen".

Nur eine einzige der 45 Schulen wählte einen anderen Weg: Die an der Montessori-Pädagogik orientierte Zehlendorfer Grundschule Am Rohrgarten integriert die Erzieher als "Teamlehrerinnen" in den Unterricht, und die Lehrerinnen übernehmen durchgängig einen Teil der Betreuungszeit, indem sie etwa Arbeitsgemeinschaften und Projekte anbieten. Dass durch zusätzliche Absprachen und Teamsitzungen mit den Erzieherinnen die Arbeitszeit verlängert wird, schreckt sie nicht.

"Die Lehrer Am Rohrgarten arbeiten viel, aber glücklich", lautet Ramsegers Resümee. Viele andere aber "viel und unglücklich". Er bedauert, dass "manche Lehrerinnen die Entwicklungschancen noch nicht erkannt" haben, die die gemeinsame Arbeit mit den Erzieherinnen bringen kann. Darüber hinaus bemängelt er aber, dass die Grundschulen kaum Mittel für Materialien bekommen, um die zusätzliche Betreuungszeit sinnvoll zu gestalten zu können. Im Hause Bögers wird der Bericht jetzt "ausgewertet", so ein Sprecher.

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