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Brandstifter haben sich offenbar Prenzlauer Berg als neuen Schwerpunkt ausgeguckt: In der Prenzlauer Allee und anliegenden Straßen brannte es in der Nacht zu Mittwoch gleich mehrfach.

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Update

Feuer in Berlin: Brandstiftungen in Serie - vor allem in Prenzlauer Berg

Ein Serienbrandstifter ist erneut in der Nacht zu Mittwoch unterwegs gewesen: Allein sieben Mal brannte es in Prenzlauer Berg. Auch in Wedding wurde in einem Hausflur gezündelt.

Der kastenförmige Behälter an dem Transportfahrrad, in dem sonst ihre Tochter sitzt, ist völlig verkohlt. Beißender Qualmgeruch liegt in dem Hinterhof in der Prenzlauer Allee 174 in der Luft. "Ich war zu dem Zeitpunkt, als der Feuerleger mein Rad angezündet hat, gar nicht da", schildert die junge Mutter eines dreieinhalbjährigen Mädchens. Ihr Freund habe sie angerufen. Das war gegen kurz nach 22.30 Uhr. In diesem Hinterhof in Prenzlauer Berg hat der unbekannte Feuerleger seine Brandserie offenbar gestartet. Insgesamt sieben Feuer vor und in Wohnhäusern hat es in der Nacht zu Mittwoch in dem Bezirk gegeben: Kurz hintereinander folgten die Taten in der Prenzlauer Allee, der Kuglerstraße und der Wichertstraße - beides Seitenstraßen der Prenzlauer Allee. Stunden später brannte es dann noch einige Kilometer weiter südlich in der Kollwitzstraße. Laut Feuerwehr deutet vieles darauf hin, dass es sich um ein und denselben Brandstifter handelt. Die Kriminalpolizei prüfe dies nun, sagte ein Polizeisprecher.

"2000 Euro mit allem drum und dran hat das Fahrrad gekostet", erzählt die Besitzerin des schwarzen Kastenfahrrads einer bekannten Firma. "Leider habe ich keine Hausratversicherung, das habe ich immer vor mir her geschoben", sagt sie. "Aber wenigstens bin ich noch am Leben, und es ist bei dem Feuer nichts Schlimmeres passiert", fügt sie noch hinzu. Denn so glimpflich wie in dieser Nacht gehen die Brandstiftungen in Kellern, Hausfluren und Höfen nicht immer aus. Das verheerendste Feuer dieser Art hatte es am 12. März dieses Jahres in der Neuköllner Sonnenallee gegeben: Ein Unbekannter hatte dort Gerümpel und Kinderwagen angezündet. Bei dem Brand starben drei Menschen - darunter ein Säugling. Zu dem Täter hat die Polizei noch immer keine Spur.

Gleich nebenan, in der Prenzlauer Allee 175, nahe dem S-Bahnhof Prenzlauer Allee, soll der Täter einen Pappkarton angezündet haben. Doch von dem Feuer ist im Innenhof nichts mehr zu sehen. Ebenso deutet am Mittwochmorgen nichts mehr auf das Moped, das ein paar Meter weiter vor dem Wohnhaus der Nummer 145 angezündet wurde. Von hier zog der Zündler offenbar weiter in die Wichertstraße, wo er gegen 23.15 Uhr in einem Treppenhaus einen Stromzählerkasten in Brand steckte. Nur eine halbe Stunde verging, dann ging wenige hundert Meter nördlich vor einem Wohnhaus in der Kuglerstraße ein Motorroller lichterloh in Flammen auf. Von dem Gefährt ist nur noch ein verkohlter Haufen Schrott übrig geblieben. Die Rauchschwaden waren meterhoch, bis in den vierten Stock gezogen. Am Morgen ist das Ausmaß des Brandes deutlich sichtbar: Die Rußflecken haben die Fassade kohlrabenschwarz gefärbt. "Zwei Scheiben sind dabei kaputt gegangen", sagt eine alte Frau, die im ersten Stock wohnt. Sie kann es kaum fassen, dass direkt unter ihr ein Moped in Flammen aufgegangen war. "Vielleicht hat der Täter die Tür nicht aufbekommen und deshalb den nächst besten Gegenstand, also den Roller, angezündet", mutmaßt ein Anwohner.

Nicht einmal eine halbe Stunde nach dem entflammten Roller folgte die nächste Tat: Der Täter war zurück auf die Prenzlauer Allee gegangen, wechselte die Straßenseite und drückte eine offenbar nicht verschlossene Hauseingangstür in der Siedlung der Wohnungsbaugesellschaft "Gewobag" auf. Dort, neben den Eingängen zum Keller der Hausnummer 110 zündete er einen abgestellten Kinderwagen an und verschwand. "Ich lebe seit 50 Jahren hier, seit die Siedlung gebaut wurde", sagt die 87-jährige Helga L. "So was hat es hier noch nie gegeben." Sie habe jetzt Sorge, dass in den kommenden Nächten wieder etwas passieren könnte. Die Polizei habe ihr in der Nacht erklärt, dass offenbar die Nachbarn den kleinen Innenriegel an der Hauseingangstür so eingestellt hätten, dass die Tür problemlos von außen aufzudrücken sei. "Wahrscheinlich aus Bequemlichkeit", vermutet die Rentnerin. Doch das wurde den Bewohnern nun zum Verhängnis. "Wir müssen jetzt einfach darauf achten, dass die Tür wirklich zuschnappt und kein Fremder hineinkommen kann", sagt sie. Auch hier riecht das gesamte Treppenhaus noch immer nach Qualm aus der Nacht. Die Reste des Kinderwagens wurden bereits entfernt. Nur ein schwarzer Rußfleck auf dem Boden deutet noch auf die Tat. "Das ist eigentlich eine ganz ruhige Gegend hier. Hoffentlich kommt dieser Zündler nicht wieder", sagt die 87-Jährige ängstlich.

Eines ist jedenfalls klar: Der Täter hat die Feuer gelegt, während die Polizei bereits an den vorherigen Tatorten gearbeitet und den Hubschrauber mit Wärmebildkamera in die Luft geschickt hatte. Dass die Beamte der Feuerwehr und Polizei nur wenige hundert Meter entfernt waren, hat den Zündler offenbar nicht gestört. "Hier ist so viel Betrieb spät abends und nachts in der Prenzlauer Allee, da kann jemand geschickt untertauchen", sagt ein Ermittler am Tatort.

Was die Motivation des Brandstifters ist, ob er so genannte "Statussymbole", wie das teure Kastenfahrrad, den Motorroller oder die nicht gerade billigen Kinderwagen gezielt angezündet hat, oder einfach die nächst beste Gelegenheit nutzte, die sich ihm ergab, können die Kriminalbeamten nicht sagen. "Das wird man möglicherweise erst wissen, wenn man den Täter gefasst hat", sagt ein Sprecher.

Zwar kehrte kurz nach Mitternacht erst einmal Ruhe im Bereich der Prenzlauer Allee ein. Doch Stunden später, gegen 5.20 Uhr, brannte es erneut: Diesmal in einem Hausflur einige Kilometer weiter südlich, in der Kollwitzstraße. Zwei Kinderwagen waren dort angezündet und durch den Brand leicht beschädigt worden. Verletzt wurde niemand.

Wie in den Nächten zuvor wurde auch in Wedding wieder gezündelt, nach einer Pause auch wieder in Neukölln. Ein Feuerwehrmann sagte dem Tagesspiegel, die Brände in Prenzlauer Berg gingen vermutlich auf das Konto eines einzelnen Tätern, den in Wedding habe jemand anderes verursacht. Weitere Täter dürften für die Einzeltaten in anderen Bezirken verantwortlich sein. Die Polizei setzte erneut einen Hubschrauber mit Wärmebildkamera ein, um den Tätern auf die Spur zu kommen, jedoch vergeblich.  

Nach Polizeiangaben ist Brandstiftung neben Einbruch und Fahrraddiebstahl das Delikt, bei dem es in den ersten fünf Monaten dieses Jahres die höchsten Steigerungsraten gab – nämlich um 23 Prozent auf 547 Taten. Bei den Brandstiftungen seien es vor allem die Taten in Wohnhäusern sowie angezündete Müllcontainer gewesen, die die Zahlen in die Höhe schnellen ließen. Allein 163 Mal zündeten Brandstifter in Treppenhäusern unter anderem Kinderwagen, Sperrmüll oder Papierkörbe an. Brandstiftungen, über die berichtet wird, ziehen weitere Brandstiftungen nach sich. So habe es nach dem Großbrand in der Neuköllner Sonnenallee im März eine erkennbare Zunahme gegeben. Im Frühsommer sei die Welle abgeflaut, nun wieder angestiegen.

Zu den mehr als 20 Brandstiftungen in der Nacht zu Mittwoch zählen auch wieder politisch motivierte Taten. In der westlichen Innenstadt wurden drei Pkw angezündet, in der Friedrichshainer Modersohnstraße ein Bagger.

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