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Update

Feuer und Flamme fürs Feld: Tempelhof-Fans sammeln letzte Unterschriften

Am heutigen Montag endet das Volksbegehren „100 % Tempelhofer Feld“. Kurz vor Schluss steigt der Zuspruch, die Initiatoren sind optimistisch. An vielen Ort können in der Stadt noch Stimmen abgegeben werden.

Der Himmel scheint auf ihrer Seite zu sein. Strahlend blau ist er am Sonntagvormittag über dem Tempelhofer Feld, nur selten verschwindet die Sonne hinter Wolken. Auf so ein Wetter hatten Frank Angermüller und seine Mitstreiter gehofft, als sie sich am Morgen mit ihrem Tapeziertisch auf den Weg zum einstigen Flughafenareal machten. Denn so sind schon am Vormittag viele Menschen unterwegs, die auf dem Feld spazieren gehen, Drachen steigen lassen, windsurfen oder einfach den Blick über die Weite schweifen lassen. „Wir haben Glück“, sagt der 44-jährige Angermüller. Er trägt, wie die anderen am Tapeziertisch mit den Unterschriftenlisten, eine leuchtend grüne Jacke, darauf das Logo der Initiative „100 % Tempelhofer Feld“.

In der ganzen Stadt wird noch gesammelt

Heute endete ihr Volksbegehren gegen die vom Senat geplante Randbebauung der riesigen Leerfläche. Am gestrigen Sonntag waren Dutzende Aktivisten an mehreren Orten in der Stadt im Großeinsatz, um die noch fehlenden der rund 173 000 Unterschriften zu sammeln, die nötig sind, damit die Zukunft des Areals Gegenstand eines Volksentscheids werden kann. Da in der Regel zwischen zehn und 20 Prozent der Stimmen ungültig sind, heißt das für die Sammler, sie brauchen knapp 200 000. Auch viele internationale Touristen, europäische Wahlberliner und Hauptstädter mit Migrationshintergrund ohne deutschen Pass unterzeichneten – doch ihr Votum ist ungültig. Am Freitag meldete die Initiative gerade mal 150 000 Unterschriften, am Sonntag schätzten Aktivisten die Zahl auf 190 000 – ob das Quorum bei diesem Tempo doch noch zu schaffen ist? „Ich habe ein ganz positives Gefühl“, sagt Aktivist Angermüller. Er arbeitet hauptberuflich bei einem Callcenter, liebt das Tempelhofer Feld zum Abschalten und kämpft seit Monaten in seiner Freizeit für die Erhaltung der Freifläche. „Es gibt jetzt zum Schluss noch einen kräftigen Schub“, sagt er. Wie um ihm recht zu geben, hält in dem Moment ein junger Mann mit dem Fahrrad neben ihm, sagt: „Ich hab’ hier noch ’ne Unterschrift“ und übergibt einen zerknitterten Zettel. Das passiere heute schon den ganzen Tag, sagt Angermüller. Viele Menschen brächten Listen vorbei, auf denen Freunde und Verwandte unterschrieben hätten, auch aus Cafés und Läden kämen viele Zettel.

Skateboarder, Kiter, Spaziergänger - sie alle lieben die Weite

Vier Klemmbretter liegen auf dem Tapeziertisch neben dem Parkeingang am S-Bahn Tempelhof, immer wieder bilden sich kleine Schlangen davor, weil so viele Menschen in letzter Minute unterschreiben wollen. Einer ist der Werbedesigner Alexander Brunner, der mit einem riesigen Skateboard und einem Segel auf dem Rücken aufs Feld gekommen ist. „Dieses Gelände ist einmalig, das muss man unbedingt erhalten“, sagt der bärtige 39-Jährige. Fast jedes Wochenende kommt er aus Mitte hierher zum Streetkiten, wie die Kombination aus Skateboard fahren und Windsurfing heißt. „In welcher anderen Stadt gibt es so eine Freifläche?“, fragt er.

Kurze Zeit später kann man ihn mit vollem Segel über das einstige Rollfeld gleiten sehen. Da haben die Eheleute Kirsten und Uwe Greger gerade ihre Unterschrift auf die Liste gesetzt. „Irgendwo muss man Freiräume für so viel Individuelles haben“, sagt er und zeigt auf die Ökogärten am Feldrand. Die beiden sind Ende 50 und kommen oft hierher, auch wenn sie in Lichterfelde wohnen. „Wir fahren hier mit dem Fahrrad drüber, zeigen Berlin-Gästen das Feld, und unsere Kinder kommen zum Grillen und fahren hier Rollerskates“, erzählen sie. Angesprochen auf die Immobilien, die hier nach dem Willen des Senats entstehen sollen, schüttelt Uwe Greger den Kopf. „Das Kapital regiert, die normalen Bürger bleiben auf der Strecke“ sagt er.

Sie argumentieren, es gebe auch woanders freie Areale

Was die Landesregierung mit dem umstrittenen Gebiet anfangen will, steht auf einer Plane, die gleich neben den Unterschriftensammlern hängt. „Das Tempelhofer Feld – auch in Zukunft ein Ort für Freizeit, Sport und Erholung“, steht dort. Darunter listet der Senat auf, dass trotz der geplanten Bebauung mit bis zu 1700 Wohnungen 230 Hektar des Areals Grünfläche bleiben sollen, 20 Hektar mehr als der Große Tiergarten. Und dann, was die Initiatoren des Volksbegehrens besonders ärgert: „Wenn das Volksbegehren erfolgreich ist, dürfen dringend benötigte Wohnungen nicht gebaut werden.“ Ja, das Argument bekommen sie immer wieder auch von skeptischen Bürgern zu hören, sagt Aktivist Angermüller. Dann holt er immer einen Tagesspiegel-Artikel aus seiner Mappe. Darin steht, wie viele leere Areale es in Berlin noch gibt, auf denen Wohnungen gebaut werden könnten.

Wo man heute noch unterschreiben kann

Bis zur letzten Minute wollen die Initiatoren an diesem Montag weitersammeln. So gibt es auf dem Feld (Eingang S-Bahn Tempelhof, 11-17 Uhr) und unter anderem am U-Bahnhof Hermannplatz in Neukölln und am U-Bahnhof Eberswalder Straße in Prenzlauer Berg von 15 bis 18 Uhr Stände. Auch in jedem Bezirksamt, beim Pförtner, kann man laut einer Sprecherin der Initiative tagsüber unterschreiben, oder sich selbst noch Listen aus dem Internet ausdrucken. Und im Hauptquartier von „100 % Tempelhofer Feld“ in der Neuköllner Schillerpromenade 31 werden bis 22 Uhr Listen und Unterschriften eingesammelt. „Es ist spannend, knapp, aber machbar“, sagt Aktivist Angermüller.

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