zum Hauptinhalt
Die Scheibe ist immer mit dabei: Jan Bäss auf der Wiese vorm Reichstag.

© dapd

Berlin: Fiese Kante

Jan Bäss hat einen Film über Frisbees gedreht Sein Streifen läuft beim Festival „Achtung, Berlin“.

Jan Bäss steht vor 150 brennenden Kerzen. Drei Minuten bleiben ihm. Wenn dann noch eine von ihnen flackert, hat er verloren. Bäss darf nicht pusten, er darf das Feuer nicht ersticken, und Wasser zum Löschen gibt es auch keins. Sein einziges Hilfsmittel: eine Frisbee. Immer wieder saust die Scheibe millimeterhoch über die Flammen. 32 Mal werfen Bäss und sein Partner sie hin und her, dann ist die Zeit abgelaufen.

Bäss’ Auftritt in der Fernsehshow „Wetten, dass..?“ liegt mehr als ein Jahr zurück. Millionen haben ihn gesehen – eine gute Voraussetzung für das aktuelle Projekt des Frisbee-Fans: Er hat den ersten Dokumentarfilm über den Scheibensport gedreht. „The Invisible String“ feiert am Sonntag auf dem Filmfestival „Achtung Berlin“ im Kino Babylon Premiere. In 92 Minuten erzählt Bäss eine Liebesgeschichte zwischen Mensch und Plastik, wie er sagt.

Die Beziehung begann, als Bäss im Alter von 15 Jahren die erste Frisbee bekam. Seine Mutter brachte die Scheibe von einer Amerika-Reise mit. Inzwischen ist Bäss 39, und seine Sammlung umfasst 80 Scheiben: groß, klein, schwer, leicht, schlichtes Weiß oder Neongelb, eine leuchtet im Dunkeln. Eine gute Frisbee erkennt der Profi bei der ersten Berührung. „Es gibt unglaublich viele Schrottscheiben“, sagt er. Erkennungsmerkmale: „knallhartes Plastik und fiese Kanten“.

Für seinen Film geht der Neuköllner zurück zu den Wurzeln des Sports: Studenten in Connecticut machten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Spaß daraus, Kuchenformen der Bäckerei „Frisbie Pie Company“ herumzuwerfen. Die erste Frisbee aus Plastik gab es dann 1947, ein Hype um den Sport brach in den 70ern aus.

„Frisbee ist mehr als ein Scheibensport“, sagt Bäss, „es ist eine Lebenseinstellung“. Immerhin 2300 Frisbee-Spieler sind in deutschen Vereinen registriert – „aber die Dunkelziffer ist hoch“, sagt Bäss. Sie spielen „Ultimate“ in Mannschaften, „Disc Golf“, bei dem ein Frisbee-Spieler die Scheibe durch Metallkörbe wirft, oder „Freestyle“ mit akrobatischen Verrenkungen – und künstlichen Nägeln, damit sich die Scheibe besser auf den Fingern dreht. Bäss war 2008 selbst Deutscher Meister im Disc Golf, seine Freundin Bianca Strunz zweifache Vize-Weltmeisterin im Freestyle. Zum Üben treffen sie sich auf dem Rasen vorm Reichstag, der Palazzo-Wiese zwischen Dom und Alexanderplatz und der Tempelhofer Freiheit – „da ist der geilste Wind“.

Der Titel seines Films spielt auf eine Werbelüge des amerikanischen Frisbee-Entwicklers Fred Morrison an. Er behauptete, die Frisbee-Scheiben flögen an einer unsichtbaren Schnur entlang – wer eine Schnur kaufe, bekomme die Scheibe gratis dazu. Außerdem stehe das unsichtbare Band für den familiären Zusammenhalt in der Scheibenwelt. „Nimm eine Frisbee, wirf sie jemandem zu, und du hast einen neuen Freund gefunden.“

Drei Jahre hat Bäss an dem Film gearbeitet, die Reisen für den Dreh finanzierte er zum Großteil selbst, 30 000 Euro Fördergeld vom Medienboard Berlin-Brandenburg reichten nicht aus. Nach der Vorführung bei „Achtung Berlin“ wartet er auf die Zusage von anderen Festivals. Im Herbst erscheint sein Film als DVD. „Es läuft ziemlich gut“, findet Bäss – besser zumindest als letztes Jahr: Die Wette im Fernsehstudio ging daneben: Drei Kerzen flackerten noch, als die Zeit abgelaufen war. Annika Sartor

22. April, 20.15 Uhr, im Babylon und am 24. April um 19.15 Uhr im Filmtheater am Friedrichshain.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false