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Berlin: Filme, die Berlin verbinden (Leitartikel)

Die erste Berlinale am Potsdamer Platz - das Festival ist in der Mitte angekommenJan Schulz-Ojala So viele runde Nullen. 50 Jahre Berlinale, erstmals im Jahr 2000 am Potsdamer Platz, der vor eben 10 Jahren noch eiskalt bewachte Stadtbrache war: Ganz Coole pflegen angesichts solch absehbarer Mega-Feiern schon mal präventive Erschöpfung.

Die erste Berlinale am Potsdamer Platz - das Festival ist in der Mitte angekommenJan Schulz-Ojala

So viele runde Nullen. 50 Jahre Berlinale, erstmals im Jahr 2000 am Potsdamer Platz, der vor eben 10 Jahren noch eiskalt bewachte Stadtbrache war: Ganz Coole pflegen angesichts solch absehbarer Mega-Feiern schon mal präventive Erschöpfung. Aber dann, auf dem Scheitelpunkt zwischen Countdown und zwangsläufig eintretender Normalität, tanzen auch sie gerne in der ersten Reihe.

Die erste Berlinale am Potsdamer Platz: Schon sie alleine ist ein Ereignis. Die 50, die das Jubiläum markiert, und die 2000, die für eine mehr erfühlte als rational messbare Zeitenwende steht, reißen da nur ebenso zufällig wie sinnfällig den Horizont zu Vergangenheit und Zukunft auf. Die Berlinale, eine Erfindung des Berliner Westens, um in den Osten zu leuchten und bald auch die kinematografischen Leuchtfeuer des Ostens zurück in den Westen zu tragen, ist in der Mitte angekommen. Sie justiert sich neu - wie die Stadt. Und als das international wirksamste Kulturereignis Berlins justiert sie, an diesem historischen und wiedererfundenen Ort, auch die Stadt neu, auf ihre Weise.

Wenn heute im Berlinale-Palast, dem umbenannten, imposanten Musical-Theater, die Festreden gehalten werden, dann wird man sich nur ungern an die Beharrungskräfte erinnern, die den Umzug fast vereitelt hätten. Bis in die Festivalspitze hinein. Zu stark war die jahrzehntelange Bindung an das Provisorium West-Berlin, zu starr waren in Jahrzehnten auch die inneren Strukturen geworden, als dass die Nach-Vorne-Denker sich schnell hätten durchsetzen können. Heute, da das Platz-Ensemble zumindest auf seiner südlichen Seite längst selbstverständlich funktioniert, ist kaum mehr denkbar, dass noch vor zwei Jahren die Angst vor der Retorten-Metropolis regierte. Ja, zeitweise galt die Berlinale, wenn sie denn umzöge, gar als letzte Impulsgeberin gegen die drohende Öde aus Glas, Stahl, Beton.

Von dieser erst beargwöhnten, schließlich beschworenen Brückenkopf-Funktion ist für das Startjahr an der neuen ersten Stadt-Adresse nur noch eines geblieben: Die Berlinale verbindet - als in zwei Kinozentren beheimatetes Ereignis - die beiden Kammern des Berliner Kunstherzens. Das schlägt freilich längst von selber. Denn auch seine kleinere, aber nicht minder wuchtige Seite namens Sony Center zieht schon, obwohl erst im Frühsommer fertig, das Publikum zu Tausenden an. Sein luftiges Zeltdach, das auf dem Baukörper ruht, wird zudem gerade zu einem erhellenden neuen Symbol dieser Stadt - offen nach den Seiten und für das Sonnenlicht, massiv und zugleich mit dem Provisorischen spielend. Alle Welt beeindruckend und doch bloß nicht pathetisch - das ist gerade so, wie die Berliner sich selbst am liebsten sehen.

Auch die Berlinale, so sehr sie angekommen ist, wird mit manchen Provisorien zu kämpfen haben im ersten Jahr. Das ist normal und für das Publikum im Zweifel unterhaltsam. Schließlich ärgert man sich in Berlin auch leidenschaftlich gern. Über die neue Unübersichtlichkeit, die von den vielen Kinosälen ausgehen wird, über das überfüllte Programm, das zwar weitaus stärker als die Konkurrenten Cannes und Venedig die freie Auswahl bietet, aber auch die Verführung zum immer wieder falschen Film. Ein Trost: Auch in der Masse stecken sie, die am Ende die Seele jedes Festivals ausmachen - die guten Filme.

Feiern wir also die Sensation, als das Normalste von der Welt. Schampus! Um das "menschliche Antlitz" der Berlinale, das Festivalchef Moritz de Hadeln beschwört, muss einem am wenigsten bange sein.

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