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Ein Mann für den Film. Alex Moussa Sawadogo hat junges, afrikanisches Kino nach Berlin geholt. Die Streifen laufen beim Afrikamera-Festival.

©  Thilo Rückeis

Filmfestival in Berlin: "Afrikamera" - Hauptrolle für einen ganzen Kontinent

Am Potsdamer Platz startet am Dienstag das Filmfestival „Afrikamera“. Organisator Alex Moussa Sawadogo freut sich auf junges Kino aus dem Süden.

Alex Moussa Sawadogo ist ein gefragter Mann. Als Experte für zeitgenössischen afrikanischen Film arbeitet er international als Juror und Berater – etwa für die Filmfestspiele in Cannes, Locarno, Burkina Faso oder Busan. Seit sieben Jahren kuratiert der 40-Jährige sein eigenes Projekt, das Berliner Filmfestival „Afrikamera“. Am Dienstag beginnt die Festivalwoche im „Arsenal“ am Potsdamer Platz: Unter dem Motto „Urban Culture“ zeigt Sawadogo aktuelles afrikanisches Kino. In der Festivallounge in der Schöneberger Galerie Listros kommen außerdem täglich internationale Filmschaffende mit dem Publikum zusammen.

Sawadogo, der in der Elfenbeinküste geboren und aufgewachsen ist, beobachtet die politische Lage des Kontinents sehr genau. „Wir haben keine Ruhe in Afrika“, sagt er. „Ich möchte einmal aufwachen und im Radio hören, dass alles gut ist in Afrika.“ Dass der afrikanische Film auch politisch sein muss, ist für den 40-Jährigen daher selbstverständlich. „Hinter Kunst steckt immer gesellschaftliches Engagement“, sagt er. „Die afrikanischen Regisseure versuchen mit ihren Filmen, politisch etwas zu bewegen.“

Sawadogo studierte Kunstgeschichte, Archäologie und Medien in Ouagadougou und schloss später in Hamburg noch einen Master in Kultur- und Medienmanagement ab. Als er vor einigen Jahren nach Berlin kam, stellte er fest, dass der afrikanische Film hier kein Forum besaß – anders als in New York, London oder Paris. „Die jungen Afrikaner in Deutschland bleiben unter sich, und die Deutschen auch. Es war eine Herausforderung, beide zusammenzubringen und in Berlin ein Festival zu entwickeln.“

Konflikte junger Menschen in den Großstädten Afrikas

Dass das Festival am Potsdamer Platz veranstaltet wird, ist Sawadogo wichtig: „Hier ist die moderne Mitte Berlins, hier findet Globalisierung statt.“ Und die afrikanische Filmszene sei modern, jung und international. „Oft wird afrikanische Kultur in Museen vorgestellt, aber die zeitgenössische afrikanische Kulturszene gehört dort nicht hin.“

Die ausgewählten Filme behandeln die Konflikte junger Menschen in den Großstädten Afrikas, in Dakar, Timbuktu oder Tunis. „In den afrikanischen Städten gibt es die gleichen Probleme wie in den europäischen Metropolen; Wohnungsnot oder Arbeitslosigkeit. Aber die jungen Menschen wollen trotzdem in die großen Städte.“ Afrikamera zeigt Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme, die meist ohne großes Budget gedreht wurden. Einige der Filme liefen bereits in Cannes im Wettbewerb und werden nun in Berlin erstmals vorgeführt, viele der Regisseure werden anwesend sein.

Es ist harter Tobak, was das Publikum zu sehen bekommt: Sexuelle Gewalt, Krieg und islamischer Fundamentalismus sind wichtige Themen der Produktionen, immer mit dem Fokus auf die afrikanischen Großstädte. Die Mockumentary „Le Challat de Tunis“ geht mit ironischem Unterton einem kruden urbanen Mythos auf die Spur: Der Geschichte des „Rasierklingenmanns“, der im Vorbeifahren die Gesäße von Passantinnen aufgeschlitzt haben soll. In „Malak“ landet ein marokkanisches Mädchen aus gutem Hause wegen ihrer unehelichen Schwangerschaft auf den Straßen Tangers. „Die Frauen in Afrika verlangen heute ihren Platz“, so Sawadogo. Deswegen standen Frauenschicksale im vergangenen Jahr im Mittelpunkt des Festivals.

Keine Zeit mehr zum Lachen

Sawadogo sagt, dass das Programm als pessimistisch bezeichnet wurde. „Vielleicht ist das so. Aber wir haben keine Zeit mehr zum Lachen, wir müssen etwas ändern“, sagt Sawadogo. Bei der Auswahl der Filme denkt der 40-Jährige auch an sein Berliner Publikum und zeigt, was diesem gefallen könnte. Das funktioniert: In den letzten Jahren waren die Vorstellungen fast jeden Abend ausverkauft. Und keine Sorge, den Zuschauer erwarten auch Happy Ends.

In den vergangenen Jahren ist Afrikamera zu einem überregionalen Festival gewachsen. Jetzt findet es erstmals in Kooperation mit dem Dokumentarfilm- und Videofest in Kassel statt, wo sich ebenfalls deutsche und afrikanische Filmschaffende zum gemeinsamen Austausch treffen werden. Für die Zukunft wünscht sich Sawadogo aber, noch mehr Berliner in ihren Kiezen zu erreichen. „Die Menschen hier kennen noch nicht viel von Afrika, aber ich glaube, sie wollen die Filme sehen.“ Als Kurator möchte er ein internationales Netzwerk schaffen – damit es auch in zehn Jahren junge, afrikanische Filme zu sehen gibt.

Afrikamera, 11. bis zum 16. November, Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2. Die Karten kosten 7,50 Euro, ermäßigt 3 Euro. Die Filmlounge befindet sich in der Galerie Listros, Kurfürstenstraße 33, Schöneberg, www.afrikamera.de

Jana Scholz

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