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Ein Teil des "Dreigroschenfilm"-Ensembles: Lars Eidinger (Bertolt Brecht), Claudia Michelsen (Peachums Frau), Hanna Herzsprung (Polly), Joachim Król (Peachum) und Robert Stadlober (Kurt Weill).

© dpa

Filmstadt Berlin: Neue Zähne für den Haifisch

An der ersten Verfilmung der „Dreigroschenoper“ hatte Brecht wenig Freude. Jetzt versucht man es wieder.

Man hätte zählen sollen. Aber auch ohne statistische Absicherung wird man mit Fug und Recht behaupten dürfen: Das Wort „Herausforderung“, mitunter garniert mit Adjektiven wie „große“ oder Ergänzungen wie „Riesen-“, war das mit Abstand dominierende Substantiv auf der Pressekonferenz, die am Dienstagnachmittag im Haus des Berliner Ensembles stattfand. Nur „Bertolt Brecht“ und „Dreigroschenoper“ kam vergleichbare Bedeutung zu.

Der Respekt vor der selbstgewählten Aufgabe mit ihren Herausforderungen scheint verständlich: Nicht jedes Filmprojekt ist angemessen als „hybrides Unterfangen“ zu beschreiben, wie Tobias Moretti es tat, via Skype aus Österreich zugeschaltet und in „Brechts Dreigroschenfilm“ als Macheath alias Mackie Messer eingeplant. Womit sich der Kreis der am Film beteiligten Podiumsgäste auf ein glattes Dutzend erhöhte. In der Mitte Regisseur und Autor Joachim A. Lang und Lars Eidinger, der den armen B. B. mimen wird, flankiert von Hannah Herzsprung (Polly), Joachim Król (Peachum), Claudia Michelsen (Peachums Frau), Robert Stadlober (Kurt Weill), Britta Hammelstein (Lotte Lenya), Peri Baumeister (Elisabeth Hauptmann), Produzent Michael Souvignier, SWR-Intendant und Arte-Präsident Peter Boudgoust sowie Choreograph Eric Gauthier.

Der Rechtsstreit um die erste Verfilmung war für Breicht ein "soziologisches Experiment"

StreitSchon an der Rollenliste – halb Bühnen-, halb reale Figuren – ist zu erkennen: Das wird keine klassische Verfilmung der „Dreigroschenoper“, schon gar nicht in der Tradition der ersten Kinoadaption 1931 durch Regisseur Georg Wilhelm Pabst – da sei Brecht vor. Der hatte seinerzeit mit der Nero Film AG die Verfilmung des Erfolgsstückes vereinbart, das seine umjubelte Premiere am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm, heute Sitz des Berliner Ensembles, gefeiert hatte. Über die Vorstellungen des Autors zur Verfilmung kam es rasch zum Streit: Der Produktionsgesellschaft schwebte etwas Leichtverdauliches vor, das Erfolg an der Kinokasse versprach. Brecht dagegen wollte die gesellschaftskritische Tendenz des Stückes zuspitzen, arbeitete bereits ein Treatment aus, das aber nie umgesetzt wurde. Der Streit mündete in einen von Brecht angestrengten Rechtsstreit, von ihm vor allem als „soziologisches Experiment“ zum Sezieren der Gesellschaft intendiert. Wie erwartet verlor er in erster Instanz. Der Rechtsstreit erregte damals großes Aufsehen, ging in die zweite Instanz, vor deren Urteil es aber doch Ende 1930 zu einem Vergleich kam. Die Nero AG durfte ihren Film fertigstellen und zeigen, trug die Prozesskosten und gab die Filmrechte an Brecht zurück. Aus dessen Plänen, nach dem brachliegenden Treatment seinen eigenen Film zu drehen, wurde aber nichts: 1933 musste er ins Exil.

„Die Dreigroschenoper“ am Theater am Schiffbauerdamm 1928, mit Harald Paulsen als Macheath.
„Die Dreigroschenoper“ am Theater am Schiffbauerdamm 1928, mit Harald Paulsen als Macheath.

© Joseph Schmidt/ picture-alliance/Imagno

Brecht-Experte Joachim A. Lang („George“) will das nun korrigieren. Am Freitag beginnen die Dreharbeiten zu seinem seit einem Jahrzehnt verfolgten Projekt „Brechts Dreigroschenfilm“, vor allem in Belgien, aber auch in Baden-Württemberg und Berlin – eine Kino-Koproduktion des SWR, der Zeitsprung Pictures, der belgischen Velvet Films, gemeinsam mit Arte, dem RBB und dem NDR. Geplant ist ein Zusammenführen aus „Dreigroschenoper“, Treatment und „Dreigroschenroman“ – ein, wie es scheint, nicht ganz unkompliziertes Konstrukt aus einer Rahmenhandlung und der „Dreigroschenhandlung“. Erstere zeigt in den Jahren 1928 bis 1933 den jungen Skandalautor Brecht bei seinem Versuch, die gefeierte Oper nach seinen Vorstellungen auf die Leinwand zu bringen. Es ist, wenn man so will, eine „Making of“-Geschichte, in die sich die Handlung um Macheath & Co. einfügt – in einer Art, die auch Tobias Moretti, wie er zugab, noch nicht ganz durchschaut. Sie spielt in einem Kunst-London um das Jahr 1900 und mündet in einen überraschenden Karriere-Sprung der Hauptfigur als Direktor der National Deposit Bank – frei nach Brechts berühmten Diktum „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“

Es gehe ihm um die Übertragung des Stoffs in die Gegenwart, das Stück sei aktueller denn je, verlautet vom Regisseur, der den Staub, der sich über den Klassiker gelegt habe, entfernen will: Der Haifisch soll wieder Zähne bekommen. Und in seiner Rolle soll Brecht völlig authentisch zu Wort kommen, der Rollentext komplett zusammengesetzt aus Originalzitaten. Eidinger sieht zwar die Gefahr, dabei zur „Sprechsäule“ von B.B. zu geraten, gedenkt sie aber zu meistern, will sogar bewusst mit Brecht-Klischees aufzuräumen – „eine große Herausforderung“.

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