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Eintritt in die Illusionswelt. Die Filmstadt Babelsberg floriert und hat eigentlich nur ein Problem: die begrenzte deutsche Filmförderung.

© Studio Babelsberg AG

Filmstudio boomt: So viel Babelsberg gab es noch nie auf der Berlinale

Die Filmstudios Babelsberg sind auf der Berlinale so stark vertreten wie nie zuvor: Drei Filme, die hier gedreht wurden, sind auf dem Festival zu sehen. Die größte Filmfabrik Europas ist nach langen Krisenjahren zu einer internationalen Marke geworden. Aber das genügt den Studio-Machern nicht. Sie haben noch viel Größeres vor.

Unfassbar, wie schnell hier Welten entstehen und wie schnell sie wieder verschwinden. Allein das vergangene Jahr: Zwei Mal wurde in Babelsberg das „Dritte Reich“ aufgebaut und abmontiert, es entstanden und vergingen eine französische Märchenlandschaft des 18. Jahrhunderts, eine amerikanische Bürometropole der Gegenwart, die Innenausstattung für ein 20er-Jahre-Hotel. Und jetzt, da im Herzen Berlins die Filmfestspiele beginnen, wird draußen in Babelsberg schon wieder gehämmert. In der riesigen Marlene-Dietrich-Halle bauen sie ein saalfüllendes Raumschiff.

Für Babelsberg, größtes Filmstudio in Europa, war 2013 nicht das schlechteste Jahr. Bei fünf internationalen Großproduktionen war das Studio Koproduzent, drei davon werden jetzt auf der Berlinale gezeigt – so viel Babelsberg gab es noch nie bei den Festspielen. Mit Wes Andersons „Grand Budapest Hotel“ wird das Festival heute eröffnet, im Wettbewerb laufen George Clooneys Weltkriegsdrama „Monuments Men“ und eine Neuauflage des Märchenklassikers „Die Schöne und das Biest“.

2014 dreht Keanu Reeves in Babelsberg

„2013 war gut, 2014 wird besser“, sagt Christoph Fisser, der zum dreiköpfigen Vorstand der Filmstudios gehört, ein breitschultriger Mittfünfziger mit dem Grinsen eines Filmstars. Es zeichne sich ab, sagt Fisser, dass die Studios dieses Jahr gut ausgelastet sein werden, besser als im Vorjahr. Auch wenn er vorsichtig geworden ist mit solchen Prognosen, nachdem ihm 2012 eine sicher geglaubte Großproduktion kurzfristig absprang und die Studios monatelang leer standen.

Was genau in Babelsberg 2014 gedreht werden soll, will Fisser noch nicht verraten, Diskretion sei essenziell im Filmgeschäft. „Sonst rufen hier morgen 1000 Paparazzi an und wollen den Drehplan wissen.“ Anfang der Woche haben die Studios immerhin bekannt gegeben, was es mit dem Raumschiff in der Marlene-Dietrich-Halle auf sich hat: Der irische Fernsehregisseur Brian Kirk wird in Babelsberg ab dem Frühjahr sein Leinwanddebüt „Passengers“ mit Keanu Reeves in der Hauptrolle drehen.

George Clooney ist der Regisseur und Star des Berlinale-Films "Monuments Men", der in den Studios von Babelsberg und in Berlin gedreht wurde.
George Clooney ist der Regisseur und Star des Berlinale-Films "Monuments Men", der in den Studios von Babelsberg und in Berlin gedreht wurde.

© dpa

Bestätigt haben die Studios vor ein paar Tagen auch, was Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence bereits Anfang Januar versehentlich in einem Interview ausplauderte: Teil III und IV der amerikanischen Fantasy-Serie „Hunger Games – Tribute von Panem“ werden in Babelsberg gedreht. Angekündigt ist für das laufende Jahr außerdem eine erneute Zusammenarbeit zwischen Tom Tykwer und Tom Hanks, die in Babelsberg bereits gemeinsam an „Cloud Atlas“ gearbeitet haben, dem mit 100 Millionen Dollar Produktionskosten bisher teuersten deutschen Film. Hanks, der in Interviews seitdem von Babelsberg schwärmt, will unter Tykwers Regie nun die Hauptrolle in „Ein Hologramm für den König“ spielen, der Verfilmung von Dave Eggers’ gleichnamigem Roman.

"Einer der besten Produktionsstandorte weltweit"

Christoph Fisser ist trotzdem nicht zufrieden. Da ginge noch deutlich mehr, findet er. In seinem Büro hängt an der Stirnwand eine ins Riesenhafte vergrößerte Fotografie, die den Schauspieler Leonardo DiCaprio im vertrauten Gespräch mit Michail Gorbatschow zeigt. Film und Politik, Seite an Seite. Was auf dem Bild wie ein harmonischer Dialog aussieht, ist im wirklichen Leben nicht immer einer. Fisser kann ein Lied davon singen.

„Babelsberg ist anerkanntermaßen einer der besten Produktionsstandorte weltweit“, sagt er. „Diesen Ruf haben wir uns hart erkämpft. Aber solange wir in Deutschland keine international konkurrenzfähigen Förderbedingungen haben, können wir so gut sein, wie wir wollen. Wir verlieren Großproduktionen, die anderswo einfach mehr Geld bekommen.“

Auf Bundesebene werden Gelder für Filmprojekte vom Deutschen Filmförderfonds verteilt, der seit seiner Gründung 2007 knapp 650 Kinoprojekte unterstützt hat, darunter viele Koproduktionen zwischen deutschen und ausländischen Partnern. Konkret erstattet der Fonds 20 Prozent der in Deutschland investierten Produktionskosten. Bis zu einer Gesamthöhe von vier Millionen Euro Förderung geschieht das automatisch; jenseits dieses Werts entscheidet ein Gremium über mögliche Aufstockungen bis zu zehn Millionen Euro. Bei dieser sogenannten „Kappungsgrenze“ ist in Deutschland endgültig Schluss – anders als etwa in England, wo die Fördersumme theoretisch unbegrenzt ist. Auch viele andere internationale Standorte der Filmindustrie bieten Großproduktionen lukrativere Förderquoten und Steuervorteile als Deutschland. „Im Einzelfall“, erklärt Fisser, „kann der Unterschied für ein Großprojekt locker 20 Millionen Dollar ausmachen. Klar, dass so eine Produktion dann nicht nach Deutschland geht.“

2004 für einen Euro gekauft

Der Blick aus Fissers Fenster geht auf das Studiogelände hinaus. Im Februarnebel zeichnen sich die Umrisse der alten Marlene-Dietrich-Halle ab, die Fritz Lang 1927 für „Metropolis“ bauen ließ, bei Weitem nicht der erste Babelsberg-Film, aber der älteste, den man bis heute weltweit mit den Potsdamer Filmstudios in Verbindung bringt. Mehr als 100 Jahre Filmgeschichte liegen vor Fissers Fenster, und mehr als 25 000 Quadratmeter Studiofläche, 20 riesige Hallen, 10 000 Quadratmeter Außenbereiche, ein 500 000-Liter-Tank für Unterwasser-Stunts, ein kamerabestücktes Passagierflugzeug mit 120 Sitzen, ein Fundus mit einer Million Requisiten und einer halben Million Kostümen, dazu Werkstätten, die von Raumschiffen bis zu Märchenschlössern so ziemlich alles bauen können, was je ein Drehbuchautor ersponnen hat.

Mit all diesen Qualitäten hat sich Babelsberg einen Ruf erarbeitet, den viele den alten Studios kaum noch zugetraut hatten, als Fisser und sein Vorstandskollege Carl Woebcken das Gelände 2004 für einen symbolischen Euro vom französischen Medienkonzern Vivendi Universal übernahmen, der es zuvor der Treuhand abgekauft hatte und aus den tiefroten Zahlen nicht herauskam. Fisser und Woebcken strukturierten das Unternehmen um und brachten es ein Jahr später an die Börse. Nicht in jedem Jahr konnte die Studio Babelsberg AG ihren Aktionären seitdem Dividenden zahlen, aber mit den lebensbedrohlichen Krisenphasen scheint es fürs Erste vorbei.

Zumal der Name Babelsberg zur Marke geworden ist, deren Ruf nicht nur Tom Hanks in der Welt verbreitet. Quentin Tarantino, nach dem sie auf dem Studiogelände eine Straße benannt haben, ist seit den Dreharbeiten zu „Inglourious Basterds“ bekennender Babelsberg-Fan. Auch wer mit Jeremy Dawson spricht, einem der Produzenten von „Grand Budapest Hotel“, bekommt nur Positives über die Studios zu hören, über ihre Ausstattung, ihre Werkstätten, ihr Personal. „Dass Babelsberg Teil der Kinogeschichte ist“, fügt Dawson hinzu, „macht den Standort natürlich auch attraktiv.“

Studio zahlt mehr Steuern, als es an Filmförderung erhält

50 Jahre lang, sagt Fisser, habe Babelsberg aus historischen Gründen keine Rolle für den internationalen Film gespielt. Inzwischen müsse er am Telefon dagegen nur „Babelsberg“ sagen, um Termine mit Filmgrößen zu bekommen, deren Zeit sonst knapp bemessen sei. Fisser ist einer dieser Redner, deren Begeisterungsfähigkeit sich bruchlos auf den Zuhörer überträgt. Wer ihm eine Weile gegenübersitzt, hat irgendwann das Gefühl, dass es wirklich nichts gibt, was dieses Studio nicht stemmen könnte. Es müsste nur können dürfen.

Als im Zuge der Koalitionsverhandlungen durchsickerte, dass man darüber nachdenke, in Ausnahmefällen die Kappungsgrenzen bei der Filmförderung aufzuheben, war Christoph Fisser zunächst überglücklich – genau dafür plädierte er seit Jahren. Eine entsprechende Formulierung wurde im Entwurf des Koalitionsvertrags fixiert, sie fiel jedoch aus der endgültig verabschiedeten Version wieder heraus. Insider sagen, am Ende habe die Befürchtung überwogen, dass der Förderfonds bei gleichbleibendem Jahresbudget von 60 Millionen Euro weniger kleinere Filme fördern werde, wenn die Kappungsgrenze für Großproduktionen wegfiele.

Hinzu kommt, dass der Förderbedarf von Filmen der deutschen Öffentlichkeit mitunter schwer zu vermitteln ist. Thomas Schulz, Sprecher der Filmförderungsanstalt in Berlin, erzählt von regelmäßigen Briefen des Bundes der Steuerzahler, in denen angefragt werde, warum zum Beispiel „Inglourious Basterds“ Fördergelder bekomme, obwohl das doch gar kein deutscher Film sei. Übersehen wird dabei nicht nur, dass der in Babelsberg gedrehte Film eine amerikanisch-deutsche Koproduktion ist, an deren Einspielergebnissen beide Partner beteiligt sind. Übersehen werde vor allem, sagt Thomas Schulz, dass jeder Euro Filmförderung sechs Euro Investitionen in der deutschen Kinobranche auslöse. Die regionalwirtschaftlichen Auswirkungen sind bei großen Filmprojekten immens: Hoteliers verdienen mit, Autovermietungen, Dienstleister, auch Handwerker, die auf Zeit am Set arbeiten. Die 90 festen Mitarbeiter der Filmstudios werden in Spitzenzeiten von bis zu 2500 Zeitkräften verstärkt. Und allein an Steuern, sagt Christoph Fisser, zahle das Studio mehr, als es an Filmförderung erhalte.

Der Traum vom "Hobbit"

Draußen vor den Werkstatthallen steht ein großes gotisches Brunnenfragment aus bemaltem Styropor. Es ist eins der wenigen Set-Überbleibsel von George Clooneys Weltkriegsdrama „Monuments Men“, das diesen Samstag auf der Berlinale Premiere feiert, mit Matt Damon, Bill Murray, John Goodman und natürlich Clooney selbst. Eine Großproduktion, keine Frage, aber keine der ganz, ganz großen. Ginge es nach Christoph Fisser, könnte in Babelsberg irgendwann auch ein „Hobbit“ gedreht werden, könnten hier Filme entstehen, deren Budgets nicht im zwei-, sondern im dreistelligen Millionenbereich liegen.

Vorerst ist das noch ein Traum. Aber wie man aus Träumen Wirklichkeit macht, das wissen sie in Babelsberg seit mehr als 100 Jahren.

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