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Schau mal da, ein Hai. Die Schauspielerriege Uwe Dag Berlin, Henry Hübchen, Michael Gwisdek, Tm Schilling, Annika Kuhl und Benno Fürmann (von links nach rechts) posiert bei der Erstvorstellung von "Hai-Alarm am Müggelsee" im Cinestar am Potsdamer Platz. Die Komödie kommt am 14. März in die Kinos.

© Jörg Carstensen/dpa

Filmvorstellung am Potsdamer Platz: Konferenz der Kasper

Wenn Henry Hübchen und Michael Gwisdek herumturnen, sind Leander Haußmann und Sven Regener nicht weit. Gemeinsam stellen sie ihre Filmklamotte „Hai-Alarm am Müggelsee“ vor.

Da musste der Gwisdek erst 71 werden, bevor er sich traut, die Hosenbeine zu lüften. Uiih, da klaffen ja Abgründe in der in diesem Fall als robust geltenden Schauspielerseele. Am Mittwoch schonungslos offenbart bei der eigentlich mehr auf Späßchen als auf Komplexe ausgerichteten Vorstellung der in Friedrichshagen gedrehten und freudig erwartenen Filmposse „Hai-Alarm am Müggelsee“.

Darin stakst Michael Gwisdek als trotteliger Bademeister kurzbehost und mit Adiletten an den Füßen im Seebad Friedrichshagen herum. „Der Storch hat Beene, aber Waden hat er keene“, habe sein Vater früher immer zu ihm gesagt, erzählt Gwisdek. Das habe ihn so geniert, dass seine Storchenbeine bislang nur seine zwei Ehefrauen zu sehen bekamen, aber sicher keine Badegäste oder gar sein Filmpublikum. Bis jetzt, wo er im Gemeinschaftswerk von Leander Haußmann und Sven Regener nicht nur den längeren Teil vom Beinkleid, sondern unter trashig spritzenden Blutfontänen und dem stoischen Ausruf „Wat is’n ditte?“ auch eine Hand im Müggelsee verliert. Die wächst ihm zwar wundersamerweise nach, aber der Verdacht, der Kommunalpolitiker und Stadtmarketingexperten zukünftig wahlweise besorgt oder enthusiastisch über die ruhig plätschernden Wogen des Müggelsees blicken lässt, ist in der Welt: Da draußen ist irgendwas.

Und drinnen auch. Da belagert ein ganzer Trupp von Kulturschaffenden Podium und erste Reihe im Cinestar am Potsdamer Platz. Die bereits seit dem Dreh im August von einer Flut alarmistscher Mails begleitetete Verfertigung des ersten deutschen Alarmfilms ist ja auch ein Anlass, der einen großen Bahnhof erfordert. Der besteht aus: Haußmann und Regener ist klar, Produzent Stefan Arndt von X-Filme, Gwisdek, Henry Hübchen und Tom Schilling als Schauspieler, die, weil sie ihre üblichen Mondgagen zurückgestellt haben, als Mitproduzenten gelten, weiteren Schauspielern wie Benno Fürmann, Annika Kuhl, Uwe Dag Berlin und mitspielenden Regisseuren und Intendanten wie Detlev Buck oder Jürgen Flimm.

Letzterer gibt zusammen mit seinem Intendantenkollegen Frank Castorf den Running Gag des Films. In einer Art Waldorf-und-Statler-Nummer hocken die graumelierten Theaterzausel beim Griechen auf der Bölschestraße und kommentieren alles, jedes und natürlich auch den als Plan C von Henry Hübchen in der Rolle des Bürgermeisters ausgerufenen Hai-Alarm.

Das bislang selbst Cineasten unbekannte Genre Alarmfilm übrigens geht, wie Leander Haußmann zu notieren und dringend weiterzugeben bittet, ab jetzt direkt in den deutschen Wortschatz ein. Es sei die Verschmelzung des Katastrophen- und Actionfilms mit dem Bürokratiedrama klassischer Schule, schwadroniert Element-of-Crime-Sänger Sven Regener, der mit fettem Bremer Akzent den Oberdampfplauderer aus Kreuzberg mimt: „Nur wenn Alarm ist, ist der Mensch ganz bei sich.“ Er und Leander Haußmann, Ex-Theaterintendant, Regisseur und Friedrichhagener, sind bereits seit 2003 Kumpel, als Haußmann Regeners Romanbestseller „Herr Lehmann“ verfilmte.

Schulterschluss. Das Regieduo Sven Regener (l.) und Leander Haußmann.
Schulterschluss. Das Regieduo Sven Regener (l.) und Leander Haußmann.

© dpa

Bei „Hai-Alarm am Müggelsee“ haben die Herren knapp über 50 alles zusammen gemacht: Drehbuch geschrieben, die Produktionsfirma Müggelfilm gegründet, Koproduzent Arndt die Idee schmackhaft gemacht, Regie geführt, Musik geschrieben, Gitarre und Mundharmonika gespielt und im dusseligen Duo Taucher aus Friedrichshagen und sensationsgeile Punker aus Friedrichshain gespielt. Besonders die dauernd an Land umhertappenden Taucher zu spielen, sei krass gewesen, klagt Regener. „Da stehst du in den Neoprenanzügen die ganze Zeit im eigenen Wurstwasser.“ Und als Regieanweisung hat ihm oft der an ratsuchende Schauspieler gerichtete Satz „Spiel’ es wie Kasperletheater“ gedient.

Da hatte es Henry Hübchen in der mit zwei Millionen recht karg ausgestatteten Produktion besser. Als Bürgermeister, der die Hai-Krise erst beherzt nach der einen Politikerdevise „Weitermachen als sei nichts gewesen“ und dann nach der anderen „Als Amtsinhaber profitierst du immer vom Alarm“ managt, hat er gleich zu Beginn des Films eine Surfpaddelschule zu eröffnen. Oben in Sakko und unten in Shorts schippert er stehend auf dem Surfbrett auf den See hinaus. Dass er das drauf habe, sei sicher der Grund gewesen, ihn zu besetzen, frotzelt der zweimalige DDR-Surfmeister. Er sei in Köpenick zur Schule gegangen und habe immer Friedrichshagener werden wollen. „Und mit dem Müggelsee bin ich innig verbunden, da wäre ich vor 30 Jahren fast bei einer Segelregatta ertrunken.“

Das sind die Emotionen, die einem lokalpatriotischen Heimatfilm wie diesem erst die richtige Glaubwürdigkeit geben. Und natürlich nutzt der Friedrichshagener Flugrouten-Gegner Haußmann die Gelegenheit, dem Wannsee mal schön eins auszuwischen. Der sei ja gar kein See, sondern nur der Dickdarm der Havel, heißt es im Film. Aber Friedrichshagen, das ist Santa Monica mit anderen Mitteln, faselt der entfesselte Regener, als er auf die naheliegende Filminspiration durch Steven Spielbergs „Der weiße Hai“ angesprochen wird. Ob es im trüben, grünen Wasser des Müggelsees nun wirklich den dort vom Experten-Arbeitskreis vermuteten kubanischen Zierhai gibt und der von Uwe Dag Berlin gespielte Hai-Jäger ihn fängt, wird nicht verraten. Die Welle, die der Film macht jedenfalls, reicht schon jetzt weiter als bis Müggelheim.

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