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Berlin: Finanzexperten machen Berlin wenig Hoffnung Ökonomen und Juristen zum Haushaltsnotstand:

Skepsis gegenüber der Klage des Senats

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Darf Berlin hohe Sanierungshilfen vom Bund einfordern, um aus der Haushaltsnotlage herauszukommen? Einige, aber längst nicht alle Ökonomen und Juristen, die gestern an einer Tagung des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) über die „Finanzkrise im Bundesstaat“ teilnahmen, glauben an diesen Rechtsanspruch. Zum Beispiel Joachim Wieland von der Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Denn er vertritt den Senat vor dem Bundesverfassungsgericht, das voraussichtlich im Frühjahr 2006 über die Klage Berlins verhandeln wird.

Andere Wissenschaftler waren gegenteiliger Meinung – mindestens aber skeptisch. Stefan Korioth zum Beispiel, der an der Universität München lehrt, warnte davor, „eine Prämie auf die höchste Verschuldung auszusetzen“. Das Bundesverfassungsgericht sei an sein Urteil von 1992 nicht gebunden. Damals hatten die Karlsruher Richter die extreme Haushaltsnotlage im Saarland und in Bremen festgestellt. Auf dieses Urteil beruft sich der Senat in seiner Klage. Aber das neue Verfahren, so Korioth, finde „13 Jahre später in einem völlig veränderten finanzpolitischen Umfeld statt“.

Auch der Verwaltungsrechtler Gunner Schuppert hält die Finanzkrise der öffentlichen Hand für ein „inzwischen generelles Problem des Bundes und der Länder“. Er plädierte deshalb dafür, dass die Bürger ein Klagerecht bekommen gegen Regierungen, die sich haushaltspolitisch unverantwortlich verhalten. Charles Blankart von der Humboldt-Universität stellte ebenfalls infrage, ob für den Risikofall Berlin „die Versicherung zahlen muss“. Es könne doch sein, dass diese Vollkaskoversicherung – also der Bund – selbst kein Geld mehr habe. Und es sei an der Zeit, über die Gläubiger zu sprechen. Blankart kommt aus der Schweiz, und dort ist es möglich, dass Kommunen Insolvenz anmelden.

Der Wirtschaftswissenschaftler Helmut Seitz von der Technischen Universität Dresden sieht Berlin zwar in einer extremen Haushaltsnotlage, die Karlsruhe „wohl leider positiv bescheiden muss“. Aber eine Teilentschuldung des Landes mache allein keinen Sinn. Berlin müsse gleichzeitig zu „extrem harten Eigenanstrengungen, notfalls mit Sanktionen“, gezwungen werden. Außerdem sollte in der Landesverfassung eine Obergrenze für Haushaltsdefizite festgelegt und freiwillige Ausgaben „weitgehend auf Null“ gesenkt werden. Seitz nannte als Beispiel die Privatisierung der drei Opern.

Der Volkswirtschaftler Bernd Huber aus München, der im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums sitzt, stellte in einem Szenario bis 2013 dar, wie sich Berlin am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen könnte. Das Ziel, den Haushalt nachhaltig zu konsolidieren, ist seiner Einschätzung nach schon erreicht, wenn sich die Schuldenstandsquote stabilisieren ließe. Also das Verhältnis zwischen den Gesamtschulden und dem Bruttoinlandsprodukt. In Berlin sind das momentan 71 Prozent.

Gisela Färber von der Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer stellte ähnliche Rechnungen über das Jahr 2020 hinaus an. Mit dem Ergebnis: Ohne Hilfe von außen müsse Berlin so viel sparen, „dass es seine verfassungsmäßigen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann“. Trotzdem hat Wolfgang Kitterer, Finanzwissenschaftler an der Uni Köln, wenig Mitleid mit Berlin, „dass sich seit 15 Jahren überhöhte Ausgaben gönnt“. Das habe in den Ruin führen müssen.

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