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Berlin: Finanzinvestoren treiben Mieten in die Höhe

200 000 ehemals städtische Wohnungen sind privatisiert – und werden teurer Die Preisentwicklung wird sich auch auf den neuen Mietspiegel auswirken

Der Einfluss von Finanzinvestoren auf den Berliner Immobilienmarkt nimmt zu. Die oft angelsächsischen Firmen haben rund 200 000 Wohnungen in der Stadt zusammengekauft – und erhöhen jetzt in großem Stil die Mieten. Das Gewicht der landläufig Heuschrecken genannten Firmen ist nach Tagesspiegel-Recherchen so groß, dass sie die Preise einiger Lagen nach oben treiben. Das wird sich auch im neuen Mietspiegel niederschlagen, der im Juli erscheint.

Besonders stark werden die Mieten bei Altbauten steigen, die nach 1918 errichtet wurden, sowie bei früheren Sozialbauten der 50er und 60er Jahre. Betroffen sind Lagen, wo die Finanzinvestoren besonders viele Wohnungen kauften: etwa in Steglitz-Zehlendorf, Spandau und Reinickendorf. Mehr Geld fürs Wohnen werden auch Mieter in Teilen von Neukölln und Pankow ausgeben müssen.

Höhere Mieten zahlen Bewohner der ehemals landeseigenen Firmen Gehag und GSW sowie der früher bundeseigenen Gagfah. Bald aber könnten auch Mieter vergleichbarer Objekte mit höheren Preisforderungen ihrer Verwalter konfrontiert werden: Denn die höheren Werte im Mietspiegel erweitern auch dort den Spielraum für Mieterhöhungen.

„Gehag, GSW und Gagfah schöpfen in großen Teilen ihrer Bestände den Spielraum für Mieterhöhungen aus“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Für bestehende Verträge bedeutet dies: 20 Prozent mehr Miete alle drei Jahre. Beispiele hierfür gebe es in der Mörchinger und in der Berliner Straße, beide liegen im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, wo Gehag und GSW an der Mietenschraube drehen. Die Gagfah erhöhte die Mieten unter anderem in der Kreuznacher Straße und in der Reinickendorfer Breitachzeile.

„Wo die Mieten unter dem Markt liegen, schöpfen wir den Erhöhungsspielraum aus“, sagt GSW-Sprecher Thomas Rücker. Andererseits wolle die GSW Auszüge verhindern und suche deshalb „die Balance zwischen dem wirtschaftlich Machbaren und der Zielgruppe“, sagt er.

Die Finanzinvestoren müssen deshalb höhere Erträge aus ihren Wohnungen erzielen, weil ihre Eigentümer selbst hohe Renditen für das beim Kauf eingesetzte Kapital verlangen. Bei der Gehag dienen die Mieterhöhungen aber auch als Nachweis besonders durchsetzungsstarken Managements: Die Firma liebäugelt mit einem Börsengang und braucht dazu gute Nachrichten für Aktienkäufer.

So konnte Gehag-Chef Michael Zahn in einem „Impuls-Referat“ eine Erhöhung der „Sollmieten“ um über 2,5 Millionen Euro innerhalb von acht Jahren vorweisen, obwohl die Firma in diesem Zeitraum 2000 Wohnungen verkauft hatte. Damit mehr Erträge aus weniger Wohnungen fließen, musste die Gehag jedoch die Mieten drastisch erhöhen: um 67 Prozent in Mariendorf, um 47 Prozent in Britz-Süd und um 38 Prozent in Zehlendorf. Da dies Durchschnittswerte sind, dürften sich die Mieten in einigen Fällen verdoppelt haben. „Das übertrifft sogar noch unsere Befürchtungen“, sagt Mieterverein-Chef Hartmann Vetter.

Auch in diesem Jahr hat die Gehag ehrgeizige Ziele: 90 Cent pro Quadratmeter mehr wird die Firma von Mietern in Britz-Nord verlangen und 50 Cent mehr in Mariendorf. Besonders gut geht die Gehag-Strategie dann auf, wenn ein Mieter auszieht. Dann wird die Ausstattung der Wohnung verbessert und das Objekt kann teurer angeboten werden. Als Alternative fasst die Firma den Verkauf von Wohnungen ins Auge.

Die Gehag-Strategie hat einen Haken: Die Spekulation auf Spitzenmieten hat die Zahl der leer stehenden Wohnungen bei der Firma verdoppelt. „Auch Finanzinvestoren können Marktkräfte nicht außer Kraft setzen“, sagt Jürgen Veser. Denn nach Angaben des Chefs vom Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik ist der Berliner Immobilienmarkt immer noch entspannt: „In Berlin stehen zwischen 100 000 und 150 000 Wohnungen leer, da lassen sich Mieterhöhungen nicht so einfach durchsetzen“, sagt er. Deshalb habe die Vermietung von Wohnungen zu Spitzenpreisen große Nachteile: Die Mieter ziehen schneller wieder aus, dadurch steigen die Renovierungskosten, und wegen der hohen Mieten stehen Wohnungen längere Zeit leer.

Da Märkte aber auch immer auf Stimmungen reagieren, geht die früher landeseigene GSW nun neue Wege: Der Eigentümer von 50 000 Wohnungen in der Stadt erklärt die eigene Strategie der Mieterhöhungen zum Trend für ganz Berlin. In einem „Marktbericht“ wird die „Wende am Markt“ beschworen, denn der „Wohnraum wird knapper“. Als Beleg dafür zitieren die Autoren der Studie in erster Linie einen Experten: GSW-Chef Thomas Zinnöcker.

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