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Berlin: Finkelburg verabschiedet, neue Richter ins Amt eingeführt

Fast waren sie schon vergessen, die langen Querelen im Abgeordnetenhaus um die Neuwahl des Präsidenten und weiterer vier Richter des Verfassungsgerichtshofes, die am 9. März gewählt wurden.

Fast waren sie schon vergessen, die langen Querelen im Abgeordnetenhaus um die Neuwahl des Präsidenten und weiterer vier Richter des Verfassungsgerichtshofes, die am 9. März gewählt wurden. Das höchste Berliner Gericht hat auch schon in neuer Besetzung getagt, aber offiziell wurden gestern feierlich die Neuen in ihr Amt eingeführt und die Ausgeschiedenen verabschiedet. Da war nur noch von unparteiischen Richtern die Rede, ungeachtet ihrer "politischen Wurzeln". Der neue Präsident Helge Sodan und sein Vorgänger Klaus Finkelnburg taten dies in ihren Reden kund, Finkelnburg mit Humor, Sodan streng akademisch. "Antrittsvorlesung", meinte Grünen-Fraktionschef Wolfgang Wieland über die Antrittsrede des 41-jährigen Professors Sodan (CDU), der Staats- und Verwaltungsrechtler ist.

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und sein Justizstaatssekretär Diethard Rauskolb, einige Senatoren, Abgeordnete aller Fraktionen und Verfassungsgerichtspräsidenten anderer Bundesländer gaben sich die Ehre. Es gab Blumen für die Neuen - neben Sodan Anwalt Klaus-Martin Groth (Grüne), Andreas Knuth (SPD, Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Oder), Dietrich Mahlo (CDU, Anwalt und früherer Parlamentarier) und Anwältin Martina Zünkler (parteilos, für die PDS) - wie für die ausgeschiedenen letzten Verfassungsrichter der "ersten Stunde": außer Finkelnburg Hans-Joachim Driehaus (CDU, Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht, Klaus Eschen (SPD, Notar), Anwältin Veronika Arendt-Rojahn (Grüne), Philipp Kunig (FDP, Staatsrechtsprofessor).

Feinsinnig deutete Vizepräsident Ulrich Storost die Querelen um die Wahl der Verfassungsrichter nur an. Drastisch sprach Finkelnburg in seiner Abschiedsrede vom unwürdigen Gezerre. Das hohe Lob auf seine Person wehrte er humorvoll ab: "Verabschiedungsreden und Grabreden haben ihre Gemeinsamkeit, insbesondere im "nihil nisi bene." Aber sichtlich bewegt war er doch. Er gehörte 1990 zu den Vätern des Verfassungsgerichtsgesetzes; er hat den Verfassungsgerichtshof aufgebaut und acht Jahre geleitet. Am 26. März 1992 nahm das Verfassungsgericht, das es vor der Wende wegen des Alliierten Status der Stadt nicht geben konnte, seine Tätigkeit auf. Seither hat das Gericht an die 1000 Entscheidungen gefällt, auch so spektakuläre wie die Verschonung Erich Honeckers von Strafverfolgung wegen "Verhandlungsunfähigkeit" oder zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe.

Parlamentspräsident Reinhard Führer (CDU) hob die Bedeutung dieses Verfassungsorgans hervor. Er bekam ebenfalls hohes Lob - für sein Engagement, die Auseinandersetzungen um die Neuwahlen zu beenden. Und auch daran wurde erinnert: dass der Fest- und Tagungssaal des Gerichts im Kammergericht von 1913 ein geschichtsträchtiger ist. Dort fällte Freisler mit seinem "Volksgerichtshof" 150 Todesurteile. Dort konstituierte sich nach dem Krieg der Interalliierte Militärgerichtshof, der in Nürnberg tagte. Dort wurde 1971 das Viermächte-Abkommen unterzeichnet und 1972 in Kraft gesetzt. Das wird nicht vergessen.

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