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Nicht alle sind begeistert. Occupy-Aktivisten beschossen am Montag den Amtssitz des Bundespräsidenten. Mit einem selbstgebauten Katapult feuerten Sie Ausgaben des Grundgesetzes in Richtung des Schlosses Bellevue – um gegen den Fiskalpakt zu protestieren.

© dpa

Fiskalpakt: Berlin erhält Sozialhilfe vom Bund

Die Stadt kann mit 200 Millionen Euro aus dem Fiskalpakt rechnen. Das entlastet die Etats für Jugend, Behinderte und Benachteiligte.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eine schöne Finanzspritze für das arme Berlin: Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zum Fiskalpakt kann die Landeskasse um über 200 Millionen Euro jährlich entlasten. Das meiste Geld fließt erst nach der Bundestagswahl 2013, aber die Eckpunkte des neuen Finanzpakets sind politisch verbindlich ausgehandelt. Der Bund ist bereit, sich sich an den Kosten der Eingliederungshilfen für behinderte Menschen zu beteiligen, und er will die Zuschüsse für den Ausbau der Kinderkrippen und für kommunale Verkehrsprojekte aufstocken.

Die Eingliederungshilfen, die zu den staatlichen Sozialleistungen gehören, sind für die Städte und Gemeinden in den vergangenen Jahren zu einer großen Last geworden. Allein in Berlin zahlen die bezirklichen Jugend- und Sozialämter jedes Jahr über 600 Millionen Euro für betreutes Wohnen, Behindertenwerkstätten, medizinische Rehabilitation, schulische Bildung und für andere Hilfen, die die Teilhabe behinderter Menschen am kulturellen und gesellschaftlichen Leben erleichtern. Diese Ausgaben verschlingen inzwischen über 40 Prozent der öffentlichen Sozialhilfen in Berlin.

Occupy-Anhänger protestieren vorm Schloss Bellevue gegen den Fiskalpakt:

Davon profitieren rund 25 000 Berliner, denen geholfen wird, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Aber die Kosten sind enorm hoch, die Tendenz: weiter steigend. Die Eingliederungshilfen betragen 175 Euro pro Kopf der Bevölkerung. Besonders belastet sind die Bezirke Lichtenberg, Spandau und Pankow. Bundesweit zahlen die Kommunen rund zwölf Milliarden Euro für diese Hilfen. Wenn der Bund, wie jetzt in Aussicht gestellt, davon etwa vier Milliarden Euro übernimmt, wäre das ein Drittel der Gesamtkosten. Umgerechnet auf Berlin wären das 200 Millionen Euro. Geregelt werden soll dies in einem Bundesleistungsgesetz.

Bayern hat im Bundesrat beantragt, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, um die Hilfen für Behinderte von der klassischen Sozialhilfe zu trennen. Das bedeutet, dass sich der Bund künftig an den Eingliederungshilfen in größerem Umfang beteiligen muss. Langfristig könnte er vielleicht sogar die gesamten Kosten übernehmen. Im vorigen Jahr hatte der Bund bereits zugesichert, die Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von den Ländern und Kommunen schrittweise zu übernehmen. Für Berlin bringt das im laufenden Jahr eine Entlastung von 92 Millionen Euro, 2013 sind es 194 Millionen Euro. Ab 2014 übernimmt der Bund die gesamten Kosten, dadurch spart Berlin mehr als 400 Millionen Euro jährlich.

Auch Kita-Ausbau und öffentlicher Nahverkehr will der Bund fördern

Die weiteren Bestandteile des neuen Bund/Länder-Finanzpakets: Der Bund erhöht die Investitionszuschüsse für den Kita-Ausbau um 580 Millionen Euro und für die laufenden Betreuungskosten um 75 Millionen Euro pro Jahr. Ob auch Berlin davon profitiert, war am Montag noch ungewiss. „Das Protokoll der Verhandlungen liegt uns noch nicht vor“, sagte Senatssprecher Richard Meng. Er schloss nicht aus, dass nur die bei der Kinderbetreuung besonders rückständigen Länder vom Geld des Bundes profitieren. „Wir prüfen das noch.“ Bei einer gleichmäßigen Verteilung der zusätzlichen Mittel bekäme Berlin 30 Millionen Euro jährlich.

Auch für den öffentlichen Nahverkehr will die Bundesregierung den Städten und Gemeinden angeblich mehr Geld zur Verfügung stellen. In welcher Höhe und für welche Zwecke, blieb am Montag ebenfalls noch offen. Erst im Herbst soll über die Bundeszuschüsse für kommunale Verkehrsprojekte entschieden werden. Eine weitere finanzielle Entlastung könnten gemeinsame Anleihen bringen, die Bund und Länder ab 2013 anbieten wollen, um an frisches Geld zu kommen. Der Bund zahlt derzeit für solche Anleihen so gut wie keine Zinsen. Eine Neuverschuldung fast zum Nulltarif, das ist ein verlockendes Angebot.

Zu alledem wollte sich Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) am Montag noch nicht äußern. „Das ist noch alles viel zu vage, wir können erst rechnen, wenn es verbindliche Zusagen gibt“, sagte die Sprecherin der Finanzverwaltung, Kathrin Bierwirth. Ohnehin hat sich das Land Berlin bei den Verhandlungen der Länder mit dem Bund vornehm zurückgehalten. Angesichts heftiger Diskussionen um eine Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs will der Senat nicht den Eindruck besonders großer Begehrlichkeiten wecken. Aber teilhaben am Geldsegen will man schon. Und deshalb wird das Land Berlin am Freitag im Bundesrat dem Fiskalpakt wohl zustimmen. „Momentan sieht es danach aus“, sagte Senatssprecher Meng.

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