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Berlin: Flucht aus der Haft – jetzt sitzen die Helfer vor Gericht

Von Häftling Ismail S. fehlt noch jede Spur. Drei Freunde hatten ihn mit einem Trick befreit

Die ältesten Finten funktionieren zuweilen am besten – wie beispielsweise der Mützen-Trick bewies. Es war der 7. September 2005, als der 17-jährige Ismail S. im Jugendgefängnis Besuch von drei Freunden bekam. Als die Wachleute gerade mal nicht hinschauten, zog sich der verurteilte Serientäter schnell Mütze und Pullover des jüngsten Freundes über, steckte dessen Ausweis ein und marschierte dann mit den beiden anderen schnurstracks in die Freiheit. Den Jüngsten ließen sie im Gefängnis gewissermaßen als Vertretung zurück.

Ismail S. ist noch immer flüchtig. Seinen drei Freunden – 17, 19 und 20 Jahre alt – wird dafür am morgigen Dienstag im Kriminalgericht Moabit der Prozess gemacht: „Gemeinschaftliche Vollstreckungsvereitelung und Gefangenenbefreiung“, lautet der Vorwurf. Von einem Dumme-Jungen-Streich wollte damals auch die Polizei nichts hören: Sie hatte die jungen Fluchthelfer zwei Tage später zu Hause festgenommen und gegen alle drei einen Haftbefehl erwirkt.

Der Fall mit der Mütze reiht sich in eine Serie von Pannen ein, die dem Strafvollzug im letzten Jahr heftige Kritik eingebracht hat. „Der Strafvollzug gleicht seit Monaten einem Haus der offenen Türen“, hatte die Opposition erst im Januar nach der jüngsten Flucht beklagt. Tatsächlich hat der Freiheitsdrang der Häftlinge Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) wiederholt in Erklärungsnot gebracht. Da hilft es auch wenig, dass die Senatorin anhand von Zahlen und Fakten immer wieder belegt, dass es sich bei den „Entweichungen“ um zwar sehr ärgerliche, aber extrem seltene Fälle handelt.

Die Häftlinge greifen aber offenbar immer wieder auf dieselben Methoden zurück. Ebenfalls als sehr beliebt gilt der Toiletten-Trick. So benutzte beispielsweise der verurteilte Drogenhändler Ismail F. im Oktober einen begleiteten Ausgang, um durch das Toilettenfenster des „Café Kranzler“ zu verschwinden. Als Klassiker gilt bekanntlich der Krankenhaus-Trick. Auf diese Art gelang vergangenen Februar einem Strafgefangenen die Flucht aus dem Jüdischen Krankenhaus in Wedding, nachdem er eine Knieverletzung und schlimme Schmerzen vorgetäuscht hatte. In der Eingangshalle rannte der 30-jährige Tunesier dann aber plötzlich seinen Bewachern davon. Vor der Klinik wartete bereits sein Komplize. Insgesamt sind innerhalb des letzten Jahres rund zehn Häftlinge zwischenzeitlich ausgebüchst – aus den Justizvollzugsanstalten, dem Abschiebegewahrsam, dem Maßregelvollzug oder dem Kriminalgericht Moabit.

Im Fall von Ismail S. – er ist unter anderem wegen schweren Raubes verurteilt worden – war der Justizvollzugsbeamte offenbar schwer in Gedanken versunken. Er bemerkte jedenfalls nicht, dass er einen Fremden zurück in die Zelle führte. Der Tausch fiel erst auf, als der Zellengenosse des Türken völlig entgeistert fragte: „Wer ist denn das?“ Da hatte der Pförtner in Plötzensee den 17-jährigen Häftling allerdings – nach einem flüchtigen Blick auf den Ausweis – bereits auf die Straße gelassen.

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