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Berlin: Flucht aus Gericht: Täter wird jetzt bundesweit gesucht - Hassan Ch. entkam mit Sprung aus Toiletten-Fenster

CDU-Fraktion fordert Rücktritt der Justizsenatorin

Nach seiner spektakulären Flucht aus dem Toilettenfenster im Kriminalgericht Moabit fehlt noch immer jede Spur von dem Gefangenen Hassan Ch. Nachdem am Dienstag 150 Polizisten das Gerichtsgebäude und die Umgebung nach dem 28-Jährigen durchsucht hatten, fahnden nun Ermittler des Landeskriminalamtes bundesweit nach dem Flüchtigen. Da innerhalb von eineinhalb Jahren mehrere Häftlinge entkommen konnten, gerät Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) erneut in die Kritik. Die Opposition fordert von der Senatorin, Verantwortung zu übernehmen. Die CDU-Fraktion verlangte gestern ihren Rücktritt. Gegen den Justizbeamten, der Hassan Ch. bewachen sollte, wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, teilte ein Justizsprecher mit.

Wie berichtet, war Hassan Ch. am Dienstagvormittag während einer Prozesspause auf die Toilette gegangen und von dort durch das Fenster vier Meter tief in den Hof gesprungen. Von dort ist er möglicherweise über das angrenzende Parkhaus aus dem gesicherten Bereich des Gerichtsgebäudes in die Freiheit gelangt. Ein Wachmann hatte den Angeklagten zur Toilette begleitet, postierte sich aber vor der Tür auf dem Flur. Dieses Verhalten wirft Fragen auf: Hätte der Wachmann ihn nicht zumindest in den Sanitärbereich bis zur Kabinentür folgen müssen? Auch gestern wollte sich Gerichtssprecher Arnd Bödeker nicht dazu äußern. Unbeantwortet blieb auch die Frage, ob es eine entsprechende Dienstvorschrift gibt, in der dies geregelt ist. „Dies ist ein laufendes Verfahren. Mögliche Versäumnisse werden geprüft“, sagt er. Dazu gehört offenbar auch die Tatsache, dass der Bewacher den Angeklagten auf die öffentliche Toilette ohne vergittertes Fenster geführt hatte: Dabei befindet sich auf demselben Flur nahe dem Prozesssaal eine Vorführzelle mit vergitterten Fenstern.

Die Oppositionsparteien forderten die Senatorin umgehend dazu auf zu klären, warum der Häftling entkommen konnte. Die CDU–Fraktion erwartet „schnellstens eine umfangreiche Stellungnahme“ der Justizsenatorin. Der innenpolitische Sprecher Michael Braun möchte vor allem geklärt haben, wie die Sicherheitsmaßnahmen nach den Fluchten im vergangenen Jahr verändert worden sind.

Erst im Oktober 2005 war ein Gefangener beim begleiteten Ausgang durch ein Toilettenfenster im Café Kranzler geflüchtet. Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volker Ratzmann, appelliert an Karin Schubert aufzuklären, wer die Verantwortung für die Flucht des Häftlings trägt. „Der gesamte Berliner Justizvollzug ist in einem desaströsen Zustand“, sagte Ratzmann.

Doch die Justizsenatorin befindet sich derzeit im Urlaub. Ihr Sprecher Björn Retlaff ließ verkünden, dass „wir die Umstände der Flucht genau prüfen werden“. Doch die Kritik, dass laut CDU „katastrophale Sicherheitsmängel“ herrschten, weist er zurück. Die Sicherheitslage sei „so günstig wie nie“, seit Schubert im Amt ist. So habe es nur einen einzigen Fall einer Flucht aus einem Gefängnis im vergangenen Jahr gegeben. Vor Schuberts Amtszeit seien es teilweise bis zu acht Fälle pro Jahr gewesen, in denen Gefangene die Sicherheitsvorkehrungen der Justizvollzugsanstalt überwunden hätten.

Für die Sicherheit der Gefangenen ist die Justiz zuständig – deswegen kann ein Häftling, der entkommen ist, nach seiner Festnahme auch nicht für die Flucht aus dem Gefängnis bestraft werden. Vorausgesetzt, er hat bei der Flucht keine Gewalt angewandt.

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