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Flüchtlinge auf dem Tempelhofer Feld in Berlin: So entsteht Deutschlands größte Flüchtlingsunterkunft

Der frühere Flughafen Tempelhof wächst zur bundesweit größten Unterkunft für Flüchtlinge heran – mit Sportstätte, Jobcenter, Großküche und Bildungsstätten.

Jetzt ist es durch, das „Gesetz zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen“ – mit den Stimmen der großen Koalition hat das Abgeordnetenhaus die Vorlage des Senats durchgewunken. Jetzt kann gebaut werden, provisorisch, befristet auf drei Jahre – und zur vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen.

Mit den früheren Absichten von Bausenator Andreas Geisel (SPD), gleich alle ursprünglich für den Neubau von Wohnungen geplanten Flächen am Rande des Feldes doch noch in Beschlag zu nehmen, hat das am Donnerstag beschlossene Gesetz nur noch wenig zu tun. Der Widerstand gegen diese großzügige Revision des erst im vergangenen Jahr von der Mehrheit der Berliner gewollten Verbots jeglicher Neubauten auf dem Flughafen-Areal war zu groß. Sogar in den Reihen des Koalitionspartners CDU stieß dieser ruppige Umgang auf Ablehnung.

In dem nun beschlossenen Tempelhof-Gesetz light sind nur die bereits befestigten Randbereiche des Vorfeldes zur Nutzung freigegeben, südlich und östlich desselben. Diese sollen zur Aufstellung „mobiler Unterkünfte“ genutzt werden. Die beiden Flächen sind knapp 78.000 Quadratmeter (nördlich des Flughafengebäudes) und rund 41.000 Quadratmeter groß, zusammen machen sie gut 3,5 Prozent des Feldes aus. Und die Neubauten sind „auf längstens drei Jahre zu befristen“, heißt es weiter.

Die mobilen Bauten entstehen auf dem Vorfeld des Gebäudes

Überraschend ist nur, dass die neuen mobilen Bauten im „Entwurf der Gesamtkonzeption Notunterkunft“ der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gerade nicht auf den nun auch rechtlich freigegebenen Flächen eingeplant sind – sondern ausschließlich auf dem Vorfeld des früheren Airport-Gebäudes.

Aufgebaut wird dort zum Beispiel die eigentlich für die Internationale Garten-Ausstellung (IGA) bestellte Blumenhalle: 90 Meter lang und 62 Meter breit aus Holzständern mit einer leichten lichtdurchlässigen Membranhülle versehen. Hinzu kommen weitere sechs Flächen, die zur Versorgung der Flüchtlinge dienen sollen, die oft als mangelhaft gegeißelt wird. In einer rund 4200 Quadratmeter großen „Bildungshalle“ am südlichen Rand des Vorfeldes werden Kinder und Jugendliche an Sprachkursen teilnehmen können, die sie auf die Schule vorbereiten, und außerdem sollen auch Bildungsangebote für Erwachsene dort stattfinden. Daneben entsteht eine Multifunktionshalle mit zwei Sportplätzen, die auch als Marktplatz umfunktioniert werden können.

In der Mitte des Rollfeldes ist ein Fußballfeld mit Tribüne geplant. Für die medizinische Versorgung der Flüchtlinge ist eine mobile Unterkunft mit rund 1600 Quadratmetern vorgesehen. Daran grenzt eine Werkstatt, in der Flüchtlinge berufsvorbereitende Kurse belegen können. Außerdem soll das Jobcenter einen Platz auf dem Vorfeld erhalten, 1600 Quadratmeter sind dafür vorgesehen. Weiterhin geplant sind eine Großküche mit der Möglichkeit für die Flüchtlinge, selbst auch eigene Speisen zubereiten zu können, dafür sind 2000 Quadratmeter eingeplant. Außerdem sind Lagerflächen von 3600 Quadratmetern reserviert.

So wächst auf dem Airport-Areal ein mittelgroßes Flüchtlingsdorf heran, dessen „Gesamtkapazität 7000 Plätze nicht überschreiten sollte“. Das hatte der Flüchtlingsbeauftragte des Senats Dieter Glietsch auf einer öffentlichen Veranstaltung im Flughafen in der vergangenen Woche erklärt. Und diese vielen Menschen bräuchten die temporären Bauten für Kinderbetreuung, Sprachkurse, Beschäftigungsangebot, Sport und Schule.

Bereits 12.500 Flüchtlingskinder seien bereits in den Unterricht integriert worden

Dass eine dauerhafte Einrichtung oder gar ein „Flüchtlings-Ghetto“ entsteht, wie es in der Opposition immer wieder heißt, weist der Staatssekretär der Bildungsverwaltung Mark Rackles zurück. Von einer „kurzfristigen Sprachbildung“ spricht er, die „fit für die Schule“ machen soll, wo bereits 12 500 Kinder aus Flüchtlingsfamilien in den regulären Unterricht integriert worden seien.

Und Christian Gaebler (SPD), Staatssekretär der Bauverwaltung, versicherte, dass es „keinen Eingriff in den Kernbereich“ geben werde und die „Erholungsflächen nicht beeinträchtigt“ würden durch den Ausbau von Tempelhof zu Deutschlands größtem Flüchtlingsdorf.

Wie groß die Not ist, hat Georg Classen vom Flüchtlingsrat immer wieder betont. Mit zwei Quadratmetern pro Flüchtling und Kosten von 1200 Euro jeden Monat pro untergebrachtem Neuberliner sei Tempelhof die „größte, schlechteste und teuerste Flüchtlingsunterkunft in Berlin“. Und weil die dort untergebrachten Menschen keine Perspektive hätten, sieht Classen weniger die Gefahr von Tumulten auf dem Airport-Areal als ein „enormes Depressionspotenzial“.

Dieser Gefahr zumindest könnten die neuen Einrichtungen auf dem Airport-Areal entgegenwirken, glaubt Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler. „Rückzugsräume für Erwachsene“, Spielflächen für die Kinder und „Integrationsangebote“ seien auf dem Areal nötig und dafür „brauchen wir Platz“. Auch wenn schon heute die Flüchtlinge ihre Tage nicht in den Hangars verbringen würden.

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