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Bildungssenatorin Sandra Scheeres fürchtet um das Vertrauen in die Schulen

© Jensen/dpa

Flüchtlinge in Berlin: Kinder werden von der Polizei aus der Klasse geholt

Koalitionsstreit um Abschiebepraxis bei Schülern. Bildungssenatorin protestiert beim Innensenator. Michael Müller spricht von „pädagogischer Katastrophe“.

Gegen 11 Uhr standen plötzlich Polizeibeamte in Zivil im Sekretariat der Schule. Gänzlich unangekündigt. Sie baten die zuständige Lehrerin und die Schulleitung, drei Geschwisterkinder bosnischer Herkunft umgehend aus einer Willkommensklasse herauszuholen. Grund: Die beiden sollten mit ihrer Familie sofort abgeschoben werden. So geschehen am vergangenen Mittwoch in der Reinickendorfer Grundschule „Am Fließtal“. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Schulsenatorin Sandra Scheeres (beide SPD) verurteilten dieses Vorgehen beim Sommerfest ihrer Partei am Freitag scharf, zumal es sich um keinen Einzelfall handelt. „Pädagogisch ist das eine Katastrophe“, sagte Müller. Und Scheeres beklagte, das Vertrauen in die Institution Schule werde auf diese Weise nachhaltig zerstört.

Die Kritik zielt auf Innensenator Frank Henkel (CDU). Denn als oberster Dienstherr der Berliner Polizei könnte er derart unsensible Zugriffe verhindern. Schulsenatorin Scheeres platzte nun am Freitag der Kragen, weil sie ihn nach ihrer Darstellung seit Juni dieses Jahres schon mehrfach vergeblich aufgefordert hat, die Beamten entsprechend zurückzupfeifen. Die Sozialdemokraten gehen im Streit mit dem Koalitionspartner nun in die Offensive: Am Dienstag soll das Thema im Senat diskutiert werden.

Er lehne Abschiebungen ja keineswegs grundsätzlich ab, erklärte der Regierende am Freitag. Wer hierzulande keine Perspektive habe, müsse zurückgeschickt werden. Besonders bei Kindern sei aber entscheidend, wie dies geschehe. „Es ist inakzeptabel, dass sie direkt aus der Schule geholt werden.“

Dies hatte die Senatsschulverwaltung bereits Ende Juni und ein weiteres Mal im August gegenüber dem Innensenator betont. Anlass für die Protestschreiben war gleichfalls ein Fall in Reinickendorf: Dort wurde am 16. Juni eine siebenjährige Schülerin serbischer Herkunft direkt aus dem Klassenraum geholt. Am vergangenen Mittwochvormittag griff die Polizei nun erneut in Reinickendorf zu. Und ein dritter Fall ereignete sich etwa zeitgleich an der Spandauer B.-Traven-Oberschule. Dort nahmen die Beamten einen Jungen aus dem Kosovo mit.

Diese Praxis trägt aus Sicht der Schulsenatorin „dazu bei, dass Kinder das Zutrauen in die Schule und ihre Lehrer verlieren, nicht mehr in die Schule kommen mögen“. Wenn Familien abgeschoben würden, dürfe der Zugriff nur in den Unterkünften erfolgen. Senator Henkel wies die Kritik am Sonnabend zurück und verteidigte die Praxis. „Es ist alles andere als neu, dass Kinder von abzuschiebenden Familien in Einzelfällen direkt von der Schule geholt werden“, sagte er. Manchmal lasse sich das angesichts des Abflugtermins nicht umgehen. Solche Maßnahmen habe es auch schon unter SPD-Senatoren gegeben.

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