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Ruhe nach dem Sturm. Bemerkenswert leer war es am Sonnabend vor dem Lageso in Moabit. In den vergangenen Wochen waren die Zelte dort immer überfüllt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Flüchtlinge in Berlin: Leere vorm Lageso

Die Behörde in der Turmstraße hat nun auch am Wochenende geöffnet, um Flüchtlingen eine Vorregistrierung zu ermöglichen. Am Samstag lief dort alles sehr entspannt ab – vielleicht auch, weil noch die wenigsten Flüchtlinge von der Regelung wissen.

Man geht die Turmstraße entlang und fragt sich: Wo sind die Flüchtlinge? Das Zelt für Neuankömmlinge am Lageso ist leer. Nur etwa 40 Menschen befinden sich für die Vorregistrierung dort und lassen ihre Daten von einem einzelnen Angestellten mit Laptop aufnehmen. Anschließend erhält jeder ein graues Bändchen ans Handgelenk. Um 14 Uhr ist es fast menschenleer vorm Lageso.

Lageso bei Sonnenschein - zu schön um wahr zu sein?

Eine junge Helferin bringt drei Flüchtlingen ein paar Worte Deutsch bei: „Ich heiße Amid...“ Sie lachen, machen gemeinsam Fotos, die Sonne scheint. Man möchte aufatmen, wenn man die leeren Zelte und die entspannten Sicherheitsleute sieht. Aber der Ruhe trauen? Die Bilder sind noch präsent im Kopf: hunderte Flüchtlinge bei Regen, Wind oder sengender Hitze vor der Behörde. Der Verein „Moabit hilft“ leistete beinahe Übermenschliches, Ärzte kritisierten schlechte hygienische Zustände, Sicherheitsleute handelten mit Wartenummern und täglich kamen neue Hilfesuchende in Berlin an.

"Der Ablauf ist nicht ruhiger, aber organisierter"

Vor zehn Tagen eröffnete die neue Zweigstelle des Lageso in der Bundesallee. „Seitdem ist der ganze Ablauf zwar nicht ruhiger, aber zumindest organisierter geworden“, sagt Manfred Reinke. Er war der erste BVG-Busfahrer, der Flüchtlinge abends in die Wohnheime brachte, wenn das Lageso seine Tore schloss. „Anfangs waren wir mit zwei Bussen in Einsatz, später brauchten wir vier bis fünf, um die Flüchtlinge in ihrer Unterkünfte für die Nacht zu bringen“, sagt er. Am gestrigen Sonnabend stiegen nur 39 vorregistrierte Flüchtlinge in seinen Bus, mehr nicht. Reinke bringt sie zum Flughafen Tempelhof und in die Glockenturm Straße in Westend. „Unter der Woche wird wieder mehr los sein, aber nicht so schlimm wie vor ein paar Wochen.“

Die Ruhe vor dem Sturm

Denn am Wochenende kommen deutlich weniger Flüchtlinge an, als unter der Woche. Damit diese wenigen Menschen aber schon die Möglichkeit haben, ein graues Bändchen zu erhalten, das ihnen erlaubt, die BVG zu nutzen, wurden die neuen Öffnungszeiten eingeführt. Das Lageso in Turmstraße hat nun auch am Wochenende von 8 bis 14 Uhr geöffnet.

Es stellt sich die Frage, warum nicht viel mehr Flüchtlinge am Wochenende vor dem Lageso erscheinen. Ein Lageso-Mitarbeiter vermutet, dass schon am Sonntag mit einem deutlich größeren Ansturm zu rechnen ist. Wer sich nicht vorregistrieren lassen will, sondern auf andere Leistungen hofft, wird enttäuscht werden.

Endlich Schlafplätze für campierende Flüchtlinge

Eine positive Meldung gibt es von der nächtlichen Unterbringung der Flüchtlinge. Jeden Abend weigerten sich zahlreiche Menschen, in die Busse zu steigen, die sie für die Nacht in Heime bringen sollten – aus Angst, abgeschoben zu werden oder am nächsten Morgen zu spät wieder am Lageso zu erscheinen. Jetzt wurde eine Sporthalle nur rund 50 Meter vom Amt in der Turmstraße entfernt mit Betten und Sitzmöglichkeiten ausgestattet. Die Nacht zu Sonnabend verbrachten 25 Flüchtlinge, die sonst unter freiem Himmel geschlafen hätten, in der Turnhalle. „Sie werden mit Essen und Getränken versorgt“, sagt Abdallah Hajjir, der Imam des Moscheevereins „Haus der Weisheit“, der die Betreuung zusammen mit dem Lageso organisiert.

Der Präsident des Lageso, Franz Allert, steht am Sonnabend in der Turnhalle und lächelt zufrieden. Ein Imageproblem seiner Behörde, die campierenden Flüchtlinge vor der Eingangstür, scheint beseitigt. Die Turnhalle ist für 100 Betten ausgelegt, derzeit stehen dort nur 26. „Bei Bedarf können wir schnell aufrüsten“, versichert Allert. Die Unterkunft sei primär für Menschen gedacht, die erst bei Nacht in Berlin ankommen und noch keine Bleibe haben oder sich nicht in die BVG-Busse trauen. Hier sind sie in der Nähe des Lageso und dürfen kommen und gehen, wann sie wollen. Man orientiert sich konzeptuell an der Berliner Kältehilfe für Obdachlose.

Aber besteht nicht die Gefahr, dass Flüchtlinge mit Absicht in die Turnhalle ziehen, um am nächsten Morgen als Erste vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales zu stehen? „Wir wollen keine Nachfrage schaffen. Wer schon ein Bändchen oder einen Heimausweis hat, darf hier nicht übernachten“, stellt Allert klar.

Angst um Kinder vorm Lageso

Nach dem Mord an dem vierjährigen Mohamed sorgen sich viele Flüchtlinge um die Sicherheit ihrer Kinder. Die Präsenz der Sicherheitsangestellten vor dem Landesamt sei seit dem 25. September stetig erhöht worden, sagt Regina Kneiding, Sprecherin von Sozialsenator Czaja. Außerdem seien rund um die Uhr Polizeibeamte in der Turmstraße und Umgebung im Einsatz. „Die Turnhalle wurde mit Tischen und Stühlen in zwei Hälften eingeteilt. Auf der einen Seiten übernachten ledige Männer, auf der anderen Familien und alleinerziehende Väter und Mütter“, sagt Franz Allert. Außerdem seien Sicherheitskräfte vom Lageso für die Nacht abgestellt worden, um die Ein- und Ausgänge der Turnhalle zu bewachen. Auch Dolmetscher seien jederzeit verfügbar.

Schon bald wird sich zeigen, ob die neuen Öffnungszeiten wirklich zu einer effektiveren Vorregistrierung der Flüchtlinge im Lageso führen. Zumindest gestern schienen die Menschen, die sonst ihre Nächte in Schlafsäcken dort verbrachten, fürs erste versorgt zu sein.

Diese Zelte werden nicht mehr benötigt: Flüchtlinge können über Nacht in einer Sporthalle in der Turmstraße unterkommen.
Diese Zelte werden nicht mehr benötigt: Flüchtlinge können über Nacht in einer Sporthalle in der Turmstraße unterkommen.

© AFP/ Schwarz

Max Deibert

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