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Rund 2300 Menschen sind in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof untergebracht.

©  Paul Zinken/dpa

Flüchtlinge in Berlin: Privatsphäre? Fehlanzeige!

Helfer kritisieren schon lange die Zustände am Flughafen Tempelhof. Den Geflüchteten Selam el Hasnau wundert es nicht, dass die Lage in der Unterkunft dort eskalierte.

In den Schlafsälen ist es kalt. Es zieht. Menschen betreten und verlassen zu jeder Tages- und Nachtzeit die Halle. Selam el Hasnau kann nicht besonders gut schlafen. Er ist einer der Geflüchteten, die in der Unterkunft am ehemaligen Flughafen Tempelhof am Columbiadamm untergebracht sind. Für den 20-Jährigen sind diese Umstände ein Grund, wieso die Lage voreinigen Tagen so eskalierte. Er sagt, die Qualität des Essens ist schlecht. Manchmal gibt es nicht genug, um satt zu werden. Und Privatsphäre? Fehlanzeige. Kein Wunder, dass da Gemüter überkochen, findet er.

Außerhalb der Unterkunft schmeckt das Essen wie im Himmel, findet Selam, doch das wenige Geld, das er hat, ist zu wertvoll, um es für eine Mahlzeit auszugeben. Selam el Hasnau besitzt nur die Kleidungsstücke, die er am Leib trägt, ein bisschen Unterwäsche zum Wechseln und sein Mobiltelefon samt Ladestation, momentan wohl das wichtigste Gut für ihn. Winterfest ist seine Kleidung nicht.

Kaum jemand spricht Englisch

Kaum jemand der an diesem Montag aus den Hangars kommt, spricht Englisch, geschweige denn Deutsch. Die meisten wirken zerknirscht, müde, niedergeschlagen, traurig. Selam el Hasnau kommt aus dem Irak. Seit vier Monaten lebt der Student in Deutschland. Mehrere Wochen hat seine Flucht gedauert. Seit einem Monat lebt er nun in der notdürftig eingerichteten Unterkunft in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof.

In seiner Heimat hat Selam el Hasnau Sport im zweiten Semester studiert, bevor er flüchten musste. Er ist begeisterter Fußballspieler. Nun wünscht er sich nichts sehnlicher, als endlich wieder zur Uni gehen zu dürfen, doch bevor es soweit ist, muss er Deutsch lernen. Zwei Mal in der Woche bieten Helfer Deutschkurse am Columbiadamm an.

Handzettel für Geflüchtete

Zu wenig, findet er. Er würde gern täglich lernen und endlich wieder Fußball spielen. Der junge Mann ist froh hier zu sein, aber wie vielen anderen geht es ihm schlecht. „Ich bin sehr krank, ich habe Fieber“, sagt er. „Eigentlich muss ich zu Hause sein und im Bett liegen.“ Ein Bekannter von der Reise hat ihm einen Arzt an der Turmstraße empfohlen, der ihm Medizin besorgen könne. Da will er nun hin, weil es in der Unterkunft nichts gibt für ihn.

Auf der Straße vor dem Flughafengelände, steht eine Gruppe Zeugen Jehovas. Hochkonjunktur, lässt einer der drei durchblicken, die sich bei sieben Grad und eisigem Wind die Beine in den Bauch stehen, um Handzettel an Geflüchtete zu verteilen. „Die meisten suchen Zerstreuung und freuen sich, wenn sie Lektüre in ihrer Landessprache finden“, sagt eine der drei. Im Angebot haben sie Broschüren auf Französisch, Arabisch, Kroatisch, Farsi und Urdu. Immer mal wieder bleiben Menschen stehen und greifen interessiert nach arabischen Flyern. „An guten Tagen gehen bis zu 40 Exemplare weg“, sagt die Verteilerin.

Florian Brand

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