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Berlin: Flüchtlinge unterwegs im Namen des Herrn

Zum Ökumenischen Kirchentag dürfen Asylbewerber nach Berlin kommen. Missbrauch wird nicht befürchtet

Zum ersten ökumenischen Kirchentag dürfen auch Asylbewerber nach Berlin reisen. Die Innenministerkonferenz hat dazu die Residenzpflicht aufgehoben, die es Asylbewerbern grundsätzlich verbietet, ihren Bereich zu verlassen. Allerdings müssten die Teilnehmer ein „kirchliches Engagement nachweisen“, wie Thüringens Innenminister Andreas Trautvetter, derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz, in einem Brief an die Präsidenten des Kirchentages schrieb.

Dass die Asylbewerber überhaupt fahren dürfen, ist nicht selbstverständlich – leider, wie der grüne Innen- und Kirchenpolitiker Wolfgang Wieland meint. „Ich hoffe, das ist der erste Schritt dahin, die Residenzpflicht komplett abzuschaffen“, sagte Wieland gestern. Bisher geraten Asylbewerber nämlich schon dann mit dem Gesetz in Konflikt, wenn sie zum Beispiel von Brandenburg aus einmal nach Berlin fahren wollen, um die Großstadt zu sehen.

„Dieses Instrument hat Schikanecharakter“, sagte Wieland. „Es hat seinen Zweck längst erfüllt und ist überflüssig geworden.“ Der Zweck ist nach Angaben von Berlins Noch-Ausländerbeauftragter Barbara John (CDU), dass der Asylbewerber jederzeit für Rückfragen sein Verfahren betreffend erreichbar sein soll. Das allerdings dauert manchmal Jahre.

Dass Tausende Asylbewerber die kleine Freiheit zu einem Ausflug nach Berlin nutzen werden, ohne dabei einen Besuch des Kirchentags im Sinn zu haben, fürchten weder John noch Wieland. „Die Zugfahrt und die Eintrittskarte sind relativ teuer, viele werden gar nicht in der Lage sein, das zu bezahlen“, sagte John. Wieland findet die ganze Debatte kleinlich: „Wer an diesen Tagen nach Berlin fährt, fährt automatisch zum Kirchentag. Es wird nämlich in der ganzen Stadt schlechterdings unmöglich sein, sich dem Kirchentag zu entziehen.“

Wie hoch unter den Asylbewerbern die Quote der Christen ist, ist nicht bekannt. Das ist auch nicht nötig, denn beim Kirchentag ist ein großer Teil des Programms der Begegnung mit anderen Religionen gewidmet. Zahlreiche Gespräche mit Juden, Muslimen, Hindus und Buddhisten sind geplant – Ökumene also im weitesten Sinne.

Beim Kirchentag geht man davon aus, dass Asylbewerber nicht auf eigene Faust in den Zug steigen, sondern bei der Reise von einer Gemeinde oder kirchlichen Gruppen mitgenommen werden. Am Freitag, dem 30. Mai, ist ein Forum des Kirchentags der Fluchtproblematik gewidmet. Es sprechen Bundespräsident Johannes Rau und UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers. Insgesamt werden zu dem Großereignis, das vom 28. Mai bis zum 1. Juni dauert, 190 000 Besucher erwartet.

Fatina Keilani

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