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Flüchtlinge vom Oranienplatz in Berlin: "Wir sind doch keine faulen Menschen"

Die Flüchtlinge vom Oranienplatz freuen sich über ihr warmes Heim, aber sie würden gern arbeiten – und sie wollen weiter für ihre politischen Forderungen kämpfen. Die Kirchen fordern indes einen Runden Tisch, um die Probleme richtig anzugehen.

Von Sandra Dassler

„Wir sind sehr froh, dass wir hier sein können“, sagt Bashir Z.: „Es ist warm, wir werden mit Mahlzeiten versorgt, alle bemühen sich so um uns.“ Der Afrikaner atmet tief durch: „Aber wir wollen nicht nur hier sitzen und essen", fügt er hinzu: „Wir wollen etwas tun, wir sind doch keine faulen Menschen.“

Bashir Z. steht mit sechs, sieben anderen Flüchtlingen im Bistro des Caritas-Gebäudes in der Residenzstraße 90. Das befindet sich direkt an der Grenze zwischen Wedding und Reinickendorf, gehört aber zum Bezirk Mitte.

Dessen Bürgermeister Christian Hanke (SPD) hat denn auch an diesem Donnerstagmorgen hierher zum Termin geladen. Er wolle sich ein Bild davon machen, wie die Flüchtlinge vom Oranienplatz untergebracht sind, stand in der Pressemitteilung.

Leider hat Hanke vergessen, das mit dem Berliner Caritas-Verband abzusprechen, der das ehemalige Seniorenheim in der Residenzstraße für 80 Flüchtlinge zur Verfügung gestellt hat. So gibt es erst mal lange Gesichter bei den Journalisten. „Ich bitte um Ihr Verständnis“, sagt Caritas-Sprecher Thomas Gleißner. „Aber wir haben den Flüchtlingen versprochen, dass sie hier zur Ruhe kommen können. Die meisten sind erschöpft, manche sogar traumatisiert.“

So gibt es statt der Hausbesichtigung zunächst nur eine improvisierte Pressekonferenz vor der Tür – bei der Bezirksbürgermeister Hanke viel Lob verteilt: an die Caritas für die schnelle Bereitstellung der Räume, an den Senat für die schnelle Bereitstellung des Geldes aus dem Kältehilfefonds und an den Bezirk, also an sich selbst, für die schnelle Koordinierung mit Bauaufsicht und so weiter.

Caritas-Direktorin Ulrike Kostka wird konkreter: „Wir sind jetzt zweimal als Kirche in einer absoluten Notsituation eingesprungen“, sagt sie. „Vor einigen Wochen bei den hungerstreikenden Flüchtlingen vom Pariser Platz und nun bei den Menschen vom Oranienplatz. Wir tun das gern, aber irgendwie müssen wir aus dem Ad-hoc-Handeln herauskommen.“

Die Berliner Caritas-Chefin hat auch schon eine Idee. Da sich Bezirke, Senat und Bund immer wieder gegenseitig die Verantwortung zuschieben, wäre ein Runder Tisch aller Beteiligten sinnvoll, meint sie. Auch die Flüchtlinge sollen teilnehmen – und, ja, natürlich könnten die katholische und die evangelische Kirche dafür Gastgeber sein. „Die Flüchtlingspolitik wird uns auch in Zukunft beschäftigen“, sagt Ulrike Kostka. „Lampedusa ist hier, ist nur noch 20 Meter entfernt, und Lampedusa bleibt auch hier.“

„Wir sind anerkannte Flüchtlinge“

Bashir Z. ist einer der Flüchtlinge, die Lampedusa zum Oranienplatz gebracht haben. Der 40-Jährige stammt eigentlich aus Nigeria, hat aber – wie er auf der zweiten, diesmal mit Flüchtlingen improvisierten Pressekonferenz in der Residenzstraße erzählt – die meiste Zeit seines Lebens in Libyen verbracht. Er war dort Gastarbeiter wie viele Flüchtlinge, die vom Oranienplatz ins Caritas-Heim gezogen sind. 2011, im Zusammenhang mit dem Sturz des Gaddafi-Regimes, wurden sie in Boote gezwungen, die in Lampedusa strandeten.

„Wir sind anerkannte Flüchtlinge“, sagt Bashir Z. und wirft eine in Italien ausgestellte Plastikkarte auf den Tisch. „Aber es nützt uns nichts, weil wir nirgendwo arbeiten dürfen.“ Die anderen Flüchtlinge nicken. Sie waren Unternehmer, Handwerker, sind jung, kräftig, aber Europa will sie nicht. In Italien habe man gesagt, sie sollen nach Norden gehen. Hier sage man, geht zurück nach Italien.

Deshalb wollen sie ihren politischen Kampf fortsetzen. Auch am Oranienplatz, wo jetzt andere Flüchtlinge sind, wie Bashir Z. sagt.

Bürgermeister Hanke verspricht Hilfe. Die Caritas-Mitarbeiter bemühen sich nicht nur um die medizinische Versorgung. „Manche brauchen psychologische Betreuung“, sagt Caritas-Sprecher Gleißner, „viele würden gern Deutsch lernen.“ Zum Glück gibt es einen pensionierten Deutschlehrer in der Nachbarschaft, der Hilfe angeboten hat. Andere Nachbarn dolmetschen oder backen Kuchen.

Und ein junges Pärchen, die Frau hochschwanger, habe noch am Abend des Einzugs geklingelt, erzählt Gleißner: „Die wollten nur wissen, ob es den Flüchtlingen auch wirklich gut geht."

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