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Dem Wetter trotzen.

© dpa

Berlin: Flüchtlinge wollen weiter protestieren

Opposition kritisiert im Innenausschuss das Vorgehen der Polizei Bezirke fordern vom Senat eine bessere Verteilung von Asylbewerbern.

Über die Polizeieinsätze gegen die hungerstreikenden Flüchtlinge am Pariser Platz ist am Montag kontrovers im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses debattiert worden. Die drei Oppositionsparteien sprachen von willkürlichem und überhartem Vorgehen der Sicherheitskräfte. Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) hingegen verteidigte die Einsätze der vergangenen Tage. Die Beamten hätten „angemessen und rechtsstaatlich“ gehandelt, sagte Krömer. Laut Polizei-Vizepräsidentin Margarete Koppers haben Flüchtlinge zwei Polizisten wegen Körperverletzung im Amt angezeigt. Den Grünen zufolge ist einer Asylbewerberin der Arm ausgekugelt worden.

„Der Senat setzt auf Schikane und Abschreckung“, um Flüchtlinge aus Deutschland fernzuhalten, sagte Dirk Behrendt, Rechtsexperte der Grünen. Der Kreuzberger Abgeordnete erklärte, dass es in seinem Bezirk weiter eine „flüchtlingsfreundliche Politik“ geben werde. Auf dem Oranienplatz leben drei Dutzend Flüchtlinge seit Wochen in Zelten, geduldet vom Bezirksamt – und unterstützt von linken Initiativen. Der CDU-Parlamentarier Kurt Wansner kritisierte das Camp als „Spielwiese für Linksradikale“. Die Bedingungen für Asylbewerber können so schlecht nicht sein, schließlich stiegen die Zahlen. Und wer hierherkomme, sagte Wansner, um die Residenzpflicht zu kritisieren, zeige, dass sein Asylantrag wohl unbegründet sei – die Äußerungen stießen auf heftigen Protest der Opposition. Wie berichtet, hatte das Verwaltungsgericht das Vorgehen der Polizei als in Teilen rechtswidrig eingestuft. So dürfen Sitzunterlagen der Protestierer nicht beschlagnahmt werden, erklärten die Richter,Zelte hingegen schon.

Die Asylbewerber, die seit rund zwei Wochen vor dem Brandenburger Tor ausharren, wollen ihre Proteste bis zum 15. November fortsetzen. Die 20 Flüchtlinge und einige Unterstützer fordern die Abschaffung der Residenzpflicht, nach der Asylbewerber einen behördlich festgelegten Bereich nicht verlassen dürfen, und sie kritisieren die Unterbringung in Heimen. Gerade die Frage nach angemessenen Unterkünften droht in Berlin zum politischen Streit zu werden. Um die seit drei Jahren wieder mehr werdenden Flüchtlinge unterzubringen, muss Berlin neue Unterkünfte schaffen – zum Ärger einiger Anwohner und Bezirkspolitiker. Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales, dem letztlich Senator Mario Czaja (CDU) vorgesetzt ist, hat in diesen Tagen etwa in Heiligensee eine leere Schule aufschließen lassen. In der Notunterkunft schlafen bis zu 100 Menschen, ehe sie in anderen Wohneinrichtungen untergebracht werden. Nun soll in Lichtenrade im früheren GeorgKriedte-Seniorenheim eine Unterkunft für bis zu 300 Menschen entstehen. Im Bezirk sprechen nun einige hinter vorgehaltener Hand von „erheblichem Konfliktpotenzial“. Der örtliche Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak (CDU) fordert eine bessere Verteilung der Asylbewerber. „In Lichtenrade befindet sich schon die Jugendarrestanstalt“, sagte Luczak. Der Bezirk stelle außerdem Schulplätze für die Kinder der Flüchtlingsfamilien.

Tatsächlich sind Asylbewerber sehr ungleich in der Stadt verteilt: In Lichtenberg leben rund 1100 und in Tempelhof-Schöneberg 800 Frauen und Männer, bald kommen die 300 in Lichtenrade hinzu. In Steglitz-Zehlendorf und Reinickendorf gab es bis vor kurzem hingegen keine Einrichtungen. Doch sowohl Bezirke als auch Senat haben nur eingeschränkt Möglichkeiten eine bessere Verteilung durchzusetzen. Meist laufen die Verfahren wie folgt: Die Flüchtlinge beantragen Asyl, das Land sucht durch das Lageso eine Unterkunft. Wenn es Gebäude von Vereinen, Kirchen oder Privatleuten findet, fragt es dort nach. Nur wenn der Träger einwilligt, kommt ein Vertrag zustande. Der Senat zahlt dann laut Gesetz die Kosten für die Unterbringung.

Dass das nicht immer so klappt, wie sich die Bezirke es wünschen, macht Sibyll Klotz (Grüne), Sozialstadträtin in Tempelhof-Schöneberg, deutlich: Zwar werden den Hausbetreibern die Mietkosten erstattet, die Bezirke aber stellen Kita-Plätze, Impfungen und Kiezdienste bereit, die der Senat nicht bezahle. Sozialsenator Czaja will demnächst im Rat der Bürgermeister ein Konzept zur Verteilung von Flüchtlingen in Berlin einbringen.

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