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In Wittenau ist kein Platz für einen Zufluchtsort.

© dpa

Flüchtlingsheim: Kein Asyl in Wittenau

Reinickendorf lehnt ein Flüchtlingsheim ab, weil es eine zu große Belastung für die Nachbarn sei. Dabei hätte ein Pflegeheim mit vielen freien Plätzen zum Zufluchtsort für Asylbewerber werden können.

Von Fatina Keilani

Im November hatte sich Reinickendorfs Baustadtrat Martin Lambert (CDU) noch vorstellen können, im Pflegeheim „Marie Schlei“ in Reinickendorf Asylbewerber aufzunehmen – zusätzlich zu den Senioren, die dort leben. Immerhin hat die Immobilie sieben Stockwerke und war nur zu gut 60 Prozent ausgelastet.

Doch als nun der Antrag des Betreibers auf Umnutzung einging, hat Lambert ihn doch abgelehnt. Der Antrag geht davon aus, dass alle Senioren das Haus verlassen und es ein reines Asylbewerberheim wird. 220 Asylbewerber sollten einziehen, das sei im Wohngebiet den Nachbarn nicht zuzumuten. „Wir haben derzeit eine Zulassung für 120 Personen in dem Haus“, sagte Lambert dem Tagesspiegel. „Eine Verdoppelung auf 220 Menschen, die nicht bettlägerig sind, das geht in einem allgemeinen Wohngebiet nicht.“

Die Anwohner des Hauses am Eichborndamm 124 in Wittenau waren ohnehin nicht begeistert von dieser Aussicht – sie fürchten mehr Kriminalität und haben sich sogar schon für einen Wachschutz ausgesprochen. Nun ist unklar, wie es mit der Immobilie weitergeht.

Das Haus gehörte früher dem Awo-Landesverband, der aber überschuldet war und die Immobilie deshalb verkaufte. Vom Käufer, dem katholischen Petruswerk, mietete er sie sodann zurück. Das Petruswerk investierte Millionen in das Haus, um es moderner und schöner zu machen und die Auslastung zu erhöhen, aber es war nicht mehr konkurrenzfähig: „Die Leute wollen heute keine Zweibettzimmer mehr, sondern Einzelzimmer“, sagt Jürgen Brockmeyer, Geschäftsführer des Ida-Wolff-Geriatriezentrums Neukölln der Awo und Mitglied im Sanierungsteam des insolventen Landesverbands. „Speziell in Reinickendorf herrscht riesige Konkurrenz. Das Haus wäre also ohnehin geschlossen worden.“

Da kam dem Investor Petruswerk die Idee mit den Asylbewerbern; die Awo stellte sodann den Antrag auf Nutzungserlaubnis, der jetzt abgelehnt wurde. Beim Petruswerk war am Mittwoch niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Stadtrat Lambert hat die Awo zu einem Treffen eingeladen, um Möglichkeiten auszuloten. Auf welche Zahl von Asylbewerbern er sich einlassen würde, will Lambert nicht beziffern: „Es kommt auf die Rahmenbedingungen an, etwa: Kriegen wir einen Spielplatz hin, oder für Jugendliche einen Bolzplatz oder andere Sportmöglichkeiten?“

Kommt es zu keiner Einigung, wird das Pflegeheim wohl geschlossen. Der Bezirk Reinickendorf steht damit weiter in der Pflicht, einen Teil der Asylbewerber aufzunehmen, die nach Berlin kommen – 418 Plätze soll er auf Wunsch des Senats schaffen. Reinickendorf hat bisher unterdurchschnittlich viele aufgenommen. Laut Sozialstadtrat Andreas Höhne (SPD) hat man dafür auch keine Immobilie übrig, weil Reinickendorf seine nicht benötigten Immobilien wie verlangt an den Liegenschaftsfonds übertragen hat. Es kommen also nur Häuser in Privatbesitz als Flüchtlingsheime in Betracht.

Die Mitarbeiter im Marie-Schlei-Haus sind traurig. „Am 3. Februar haben alle Bewohner ihre Kündigungen erhalten, es sind nur noch etwa 15 Leute hier, die bis Ende März ausziehen müssen“, berichtet eine 60-jährige Führungskraft. „Alle Kollegen verlieren ihre Jobs, die meisten von ihnen sind aber gesuchte Fachkräfte und werden schnell etwas Neues finden. Ich selbst melde mich wohl arbeitslos.“

Regelrecht verwegen findet Jürgen Brockmeyer die Vorstellung Lamberts, dass man die Fremden zusätzlich zu den Alten in dem Haus hätte einquartieren können. „Das ist undenkbar!“, sagt Brockmeyer. Lambert sieht das anders. „Manche Senioren sind froh über etwas Abwechslung oder wenn sie mal einem Kind etwas vorlesen können“, sagt Lambert. Das könne auch ein Beitrag zur Integration sein.

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