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Für die Rechte der Menschen. Mehrere tausend Personen haben zuletzt in Berlin gegen eine Bärgida-Demonstration protestiert. Der niedlich klingende Begriff Bärgida steht für den Berliner Ableger des islamfeindlichen Dresdner Bündnisses Patriotischer Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes "Pegida". Auch Berlin müsse Menschen, die vor Tod, Elend und Verzweiflung fliehen, Schutz bieten.

© imago

Flüchtlingsheime gesucht: Berlin erwartet dieses Jahr mehr als 14.000 Asylbewerber

Bis zu 1200 Hilfesuchende melden sich am Tag im zuständigen Landesamt. Der neue Beirat für Zusammenhalt fordert den Senat jetzt zu mehr Baumaßnahmen auf, um Asylbewerbern ein Dach über dem Kopf bieten zu können.

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Märsche für asylpolitische Härte, anhaltende Anwohnerforderungen nach Aufnahmestopps – auch 2015 müssen die Behörden gegen Widerstände immer mehr Neuankömmlinge in der Stadt unterbringen. Deutlich mehr als 14.000 Flüchtlinge werden es in diesem Jahr werden. Nun spitzt sich die Lage weiter zu: In einer Notunterkunft in Lichterfelde werden Asylbewerber derzeit wegen Tuberkuloseverdachtes untersucht, zeitgleich sollen weitere Hallen zu Unterkünften umfunktioniert werden.

Auch in Privatwohnungen leben Asylbewerber

In einer 2014 zur Wohnstätte ausgebauten Turnhalle in Lichterfelde-Süd könnte sich eine elfköpfige Roma-Familie mit Tuberkulose angesteckt haben. Die womöglich Betroffenen wurden in Nebenräumen isoliert. Ärzte im zuständigen Tuberkulosezentrum in Lichtenberg warnten schon vor Monaten vor Überlastung. Doch auf absehbare Zeit droht eher mehr Arbeit. Und es gab auch zuvor schon Krankheiten, die behandelt werden mussten - da gab es auch vorübergehend einen Aufnahmestopp.

In Berlin gibt es 57 Unterkünfte für Asylbewerber, hinzu kommen Flüchtlinge in Privatwohnungen. All die alten Schulen, umgebauten Sportstätten, Traglufthallen und Wohncontainer reichen aber nicht: In diesen Tagen soll eine weitere Sporthalle als Sammelunterkunft genutzt werden. Und in zwei Wochen dürften auf dem Gelände der alten Psychiatrie in der Eschenallee in Westend viele Flüchtlinge untergebracht werden. Ab Februar wird es wohl 60 Unterkünfte in der Stadt geben. Vor einem Jahr waren es 40 Heime. Immer wieder organisieren Rechte Proteste gegen die Aufnahme von Menschen, die vor dem Krieg flohen.

Seit 2012 steigt die Zahl der Flüchtlinge in Berlin. Es gibt Spitzentage, an denen Hunderte ankommen. Allein diesen Donnerstag werden in der Erstaufnahmestelle des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) in Moabit bis zu 500 neue Antragsteller erwartet – meist Flüchtlinge aus Syrien, Irak, Eritrea und vom Balkan. Dazu kommen an einigen Tagen 700 Flüchtlinge, die zwar bereits einen Asylantrag gestellt haben, nun aber vom Lageso etwa Krankenscheine, Unterkunftsutensilien oder Verfahrenspapiere benötigen. Das Lageso hatte 2014 Zusatzmitarbeiter bekommen – wofür Sozialsenator Mario Czaja (CDU) kämpfen musste.

Herausfordendes Thema, unpopulärer Job

Da die Zahl der Flüchtlinge aber steigt, im Winter Obdachlose untergebracht werden müssen und das Lageso auch für Kontrollen von Kliniken, Apotheken und Lebensmitteln zuständig ist, stehen die 900 Mitarbeiter unter Druck. Aus zahlreichen Stellen in den Senatsverwaltungen heißt es, Czaja arbeite zielstrebig an der Unterbringung der Flüchtlinge. Auch er stehe unter erheblichem Druck, zumal sich seine Kollegen in der Landesregierung „bei diesem unpopulären Job eher zurückhalten“ – wie es ausgerechnet ein Beamter eines SPD-geführten Senatsressorts ausdrückt.

Task Forces im Einsatz

Der Umgang mit Flüchtlingen wird auch Thema der heutigen Senatsklausur sein. Der neue Beirat für Zusammenhalt erwartet von der Klausur „ein deutliches Signal, dass die Unterbringung von Flüchtlingen als Gesamtaufgabe verstanden wird“. Der frühere Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), die Ex-Sozialsenatorinnen Ingrid Stahmer (SPD) und Heidi Knake-Werner (Linke) sowie Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) sind sich einig, „dass in Berlin bisher noch nicht alle Möglichkeiten von Baumaßnahmen ausgeschöpft wurden“. Der Senat müsse die Nutzung landeseigener Bestandsimmobilien zügig ermöglichen. Auch Turnhallen von Universitäten werden schon genutzt.

Im Lageso koordinieren zwei Task Forces die Aufgaben. Bis zu zehn Mitarbeiter kümmern sich um neue Wohncontainerdörfer, bis zu sechs sind für bestehende Unterkünfte verantwortlich. Ärger droht in der kommenden Sitzung des Sozialausschusses. Dort wird über die sogenannte Lageso-Affäre gesprochen. Die Abgeordneten dürften im Ausschuss nun Einblick in den internen Untersuchungsbericht bekommen, in dem Lageso-Chef Franz Allert vom Korruptionsvorwurf freigesprochen wird. Dennoch werden darin wohl Abläufe bei der Unterkunftsbeschaffung der Behörde beschrieben, die Anlass zur Kritik geben – mindestens für die Opposition.

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