zum Hauptinhalt
Sensibler Arbeitsplatz. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes am Landesamt für Gesundheit und Soziales sind täglich gefordert. Immer wieder beschweren sich Flüchtlinge oder Helfer über ihr Auftreten.

© Michael Kappeler/dpa

Flüchtlingsunterkünfte in Berlin: Senat lehnt Kennzeichnung von Wachschützern ab

Der Senat will keine Kennzeichnung für private Wachschützer in Flüchtlingsunterkünften. Der Verband der Sicherheitswirtschaft schon.

Von

Berlin lehnt eine Kennzeichnung von Angehörigen von privaten Sicherheitsunternehmen ab. Die Piratenfraktion hatte beantragt, alle Wachschützer, die für das Land tätig sind, mit einer fünfstelligen Nummer zu kennzeichnen. „Diese Kennzeichnung kann Wachschützer von Gewalt abhalten“, begründete Christopher Lauer am Montag im Innenausschuss den Antrag: „Die Menschen kommen nach ihrer Flucht übers Mittelmeer hier traumatisiert an – und bekommen dann am Lageso eins in die Fresse.“

Wie berichtet, hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Vorwürfe gegeben, dass einzelne Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten in Flüchtlingsunterkünften oder am Lageso Asylbewerber geschlagen, belästigt oder beschimpft haben sollen. Innensenator Frank Henkel (CDU) lehnte gestern dennoch eine Kennzeichnung ab, denn zuständig sei der Bund. Und gerade sei in einer Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern unter Leitung des Wirtschaftsministeriums beschlossen worden, dass es keine Kennzeichnung geben soll.

Der CDU-Abgeordnete Robbin Juhnke sagte, dass eine Kennzeichnungspflicht „ein Bürokratiemonster“ schaffen würde. Der SPD-Abgeordnete Frank Zimmermann zeigte mehr Sympathie für die Forderung: So sollten Wachleute „mit dauerndem Personenkontakt“ gekennzeichnet sein. Das Land könne in den Verträgen weiter gehende Forderungen an die Unternehmen festschreiben als das Bundesrecht vorsehe. Dennoch kündigte Zimmermann an, dass auch die SPD gegen den Piraten-Antrag stimmen werde.

Es gibt keine Kontrollen

Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux verwies darauf, dass schon jetzt Wachschützer vor Diskotheken und im öffentlichen Nahverkehr gekennzeichnet sein müssen, was aber offenbar nicht kontrolliert werde. Ein Vertreter der Senatswirtschaftsverwaltung konnte im Innenausschuss die Frage von Abgeordneten nicht beantworten, wieviel Menschen im Land Berlin überhaupt in dem Gewerbe beschäftigt seien.

„Deutschlandweit sind es 220 000“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW), Harald Olschok, dem Tagesspiegel: „Allerdings arbeiten nur etwa 10 000 davon in Flüchtlingsunterkünften – natürlich mit steigender Tendenz. Dabei dürfte die Lage in Berlin dramatischer sein als in Ländern, wo die Flüchtlinge nicht in Massenunterkünften sondern in Wohnungen untergebracht sind.“

40 Stunden Ausbildung reichen nicht

Der Bundesverband selbst mache sich, so Olschok, seit Jahren für mehr Transparenz stark, sei also durchaus für eine Kennzeichnungspflicht – auch, weil es angesichts der Nachfrage immer schwieriger werde, qualifizierte Wachschützer zu bekommen. „Die kann ich gerade für so komplexe Aufgaben wie die Sicherheit in Flüchtlingsunterkünften nicht in 40 Stunden ausbilden“, sagte Olschok. „Hinzu kommt, dass derzeit auch viele Behörden überfordert sind und es gar nicht schaffen, die vorgesehenen und auch notwendigen Kontrollen durchzuführen.“

Der BDSW habe bereits im Oktober 2014 ein Zwölf-Punkte-Programm für Asylbewerberunterkünfte verabschiedet, sagte Olschok: „Schon damals haben wir klar gesagt, dass das bisherige System der Auftragsvergabe an private Sicherheitsdienste auf den Prüfstand gehört. So sollten wenigstens das Führungspersonal in den Unterkünften zumindest über englische oder auch weitere Sprachkenntnisse verfügen, die eine sichere Kommunikation mit Asylbewerbern ermöglichen. Ferner sollte es spezielle Fortbildungen in Deeskalationstechniken beherrschen, um Sicherheitspersonal im Einsatzfall auch unterstützen zu können.“

Kein Ersatz für Sozialarbeiter

Zu den Forderungen gehören weiter eine jährliche Zuverlässigkeitsüberprüfung durch die zuständige Ordnungsbehörde, aber auch mehr Zeit für die Sachkundeprüfung der künftigen Wachschützer. Diese rein theoretische Prüfung vor einer Industrie- und Handelskammer sei wie der gesetzliche Mindestlohn für einfache Bewachungsaufgaben vorgesehen, aber und nicht ausreichend für die komplexen Aufgaben in einem Flüchtlingsheim, meinte Olschok. Hier müssten die Anforderungen auch auf Kompetenzen in pädagogischen, mediativen und interkulturellen Bereichen ausgeweitet werden: „Und dennoch muss klar sein, dass private Wachschützer nicht die Betreuung durch Sozialarbeiter ersetzten können.“

Dafür fehlten den meisten der jetzt neu eingestellten Wachschützer ohnehin die Voraussetzungen, meint Benedikt Lux: „Ohne jemanden unter Generalverdacht stellen zu wollen – man hat manchmal schon den Eindruck, dass das Sicherheitsgewerbe derzeit in Berlin eine riesige Resozialisierungsmaschinerie für Menschen ohne Schulabschluss oder auch mit zweifelhafter Vergangenheit ist.“

Zur Startseite