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Sie haben es geschafft. Flugbegleiterinnen der Lufthansa.

© Kai-Uwe Heinrich

Flugbegleiter-Casting in Berlin: Cool bleiben bei atmosphärischen Turbulenzen

350 Frauen und Männer wollen sich für Höheres empfehlen – beim Casting für Flugbegleiter. Getestet wird auch das Verhalten bei schwierigen Passagieren.

Selbstverständlich sind die Chancen von Ahlke Biermanns „sehr groß“. Sie beugt ihren Oberkörper mit dem weißen Seiden-T-Shirt und der Aufschrift „Saint Germain“ nach vorne, als sie erklärt, warum das selbstverständlich ist. „Ich bin sehr serviceorientiert, spreche Englisch, ich habe für Disney in Orlando gearbeitet, ich bin offen und freundlich.“ Etwas vergessen? Ach ja, „ich bin eine sehr gute Gastgeberin, sagen meine Freunde“. Wunderbar. Wäre aber alles völlig egal, wenn sie größer wäre als 1,95 Meter.

Dann hätte sie hier keine Chance. Dann würde sie das Lufthansa-Casting zur Flugbegleiterin nicht überstehen. Aber Ahlke Biermanns ist 1,80 Meter groß. Alles im grünen Bereich.

Nicht kleiner als 1,60 Meter, nicht größer als 1,95 Meter, egal ob Mann oder Frau, das ist eines der Kriterien, die hier gelten.

Die Airline mit dem Kranich-Logo benötigt bis Juni 2017 insgesamt 2400 neue Flugbegleiter. Fünf Castings gab es schon im Bundesgebiet, das sechste und letzte findet an diesem Tag im Ullsteinhaus statt. 350 Kandidatinnen sind jetzt da, über den Tag verteilt, sie sitzen in den Räumen des Lufthansa-Callcenters, auf Stühlen, mit Mineralwasser und Snacks, alle schlank und gestylt, niemand größer als 1,95 Meter. Die entscheidenden Gespräche finden oben statt, eine Etage höher, dort warten elf Psychologen und elf erfahrene Mitarbeiter des Kabinenpersonals.

Und unten sitzt die Betriebswirtin Biermanns, 27 Jahre alt, sehr eloquent, für die ein „Job nine to five nicht so erfüllend ist“. Sie hat eine Freundin, die als Flugbegleiterin für die Lufthansa arbeitet. So kam sie auf die Idee zu diesem Job.

Unten, neben ihr, sitzt auch Nicolai Czybulka, 29 Jahre alt, 1,87 Meter groß, der schon als kleiner Junge den Traum vom Fliegen hatte. Auch Theresa Kämpfer sitzt hier, 22 Jahre alt, schickes Halstuch, schlank, mit einem Bachelor in Psychologie. Und weil Flugbegleiterinnen ja auch viel psychologisches Fingerspitzengefühl brauchen, fühlt sie sich in dem Job gut aufgehoben. Allerdings dann in Teilzeit, sie möchte irgendwann auch noch ihren Master in Psychologie machen.

Die Nummer mit dem Fingerspitzengefühl wird sehr schnell auf sie alle zukommen. Ein Rollenspiel ist Teil des Gesprächs mit den Lufthansa-Psychologen. Wie geht der Kandidat mit einem schwierigen Passagier um? Welche Verhaltensvarianten zeigt er? „Nur selbstbewusst über sich reden, reicht nicht“, sagt Klaus Jacobsen. Er hat als Psychologe selber solche Bewerbungsgespräche geführt, früher, jetzt leitet er das bundesweite Casting. Die Frage nach Motivation für den Job und eher technische Dinge besprechen die Mitarbeiter des Kabinenpersonals mit den Bewerbern. Gesprochen wird ausnahmslos Englisch.

30 Prozent der Bewerber, das ist der Durchschnitt der bisherigen Auswahlverfahren, „kommen durch“, sagt Jacobsen. Wer Diabetes hat oder Epileptiker ist, kommt nicht durch. Wer mit seinem Reisepass nicht uneingeschränkt in die Welt fliegen kann, sondern aufgrund seiner Nationalität besondere Visa benötigt, kommt nicht durch. Wer nicht flüssig Englisch spricht, kommt nicht durch. Und wer so breit wie hoch ist, kommt erst gar nicht über die erste Hürde. Denn gleich am Eingang müssen die Bewerber einen Fragebogen zu persönlichen Daten ausfüllen. Wer zu groß oder erkennbar zu dick ist, bleibt an einem Desk hängen, der mit dem Bewerber den Fragebogen durchgeht. Erst dann geht’s in den Warteraum. „Aber wir rennen hier nicht mit dem Maßband herum und diskutieren über Kilos“, sagt Jacobsen.

Wer bei der Größe schummelt oder bei den Dioptrien (erlaubt ist die Spanne zwischen plus fünf und minus fünf), fliegt spätestens bei der medizinischen Prüfung auf. Hier wird auch das Gewicht verstärkt zum Thema. Jacobsen sagt zurückhaltend: „Das Verhältnis muss stimmen.“ Maßstab ist die Frage: „Kann jemand im Notfall ein Flugzeug evakuieren?“ Wer die Medizinethik dann überstanden hat, der absolviert eine zwölfwöchige Ausbildung. Die Antwort, ob sie das Casting überstanden haben, erhalten die Bewerber erheblich früher. Schon kurz nach den Gesprächen wissen sie Bescheid, ob sie abheben dürfen.

Nicolai Czybulka schätzt im Warteraum seine Chancen auch als „gut ein“. Unter anderem, „weil es mich reizt, Menschen zu bedienen“. Das mag schon sein, nützt ihm am Ende aber nichts. Er wird abgelehnt. Sechs Stunden hat er auf seinen Auftritt gewartet. Dann taucht er auf, einigermaßen frustriert. "Nach einer so langen Wartezeit lässt ja die Konzentration nach. Mein Englisch hat nicht ausgereicht.“

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