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Noch geht nichts am zukünftigen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld - hier Mitte Juni.

© dpa

Flughäfen Tegel und BER: Geht nicht, gilt nicht!

Die Entscheidung für nur einen Standort hatte vor allem wirtschaftliche Gründe, die obsolet sind. Die erhoffte Drehkreuzfunktion des BER kann einen zweiten Flughafen vertragen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

Genau 1575 Tage nach Nichteröffnung des BER gibt es noch immer keinen neuen Termin für den ersten Start. Die Verkündung wurde auf die Zeit nach der Wahl verschoben, um den Regierenden Bürgermeister, zugleich Chef des Aufsichtsrats, nicht in Kalamitäten zu bringen, was insofern passt, als Verschiebungen bei diesem Flughafen längst nicht nur zur Corporate Identity gehören, sondern Teil seiner DNA sind. Terminiert ist dagegen die nächste Sitzung des Aufsichtsrats: Am 7. Oktober sollte die Eröffnung beschlossen werden, doch ist es inzwischen gut möglich, dass auch das mal wieder verschoben wird.

Ohnehin ist die Berliner Seite des Kontrollgremiums zur Zeit arg desolat besetzt: Von den vier dem Land zustehenden Plätzen ist einer seit Monaten wegen eines Streits der bisherigen Koalitionäre vakant, ein weiterer vergeben an den Bald-Exsenator Frank Henkel, der sich ohnehin nie für Details interessierte.

Dabei sind die Probleme massiv. Der monatliche Baubericht zeigt den Fortschritt weiter als Schnecke; ein externes Gutachten erregt zusätzlich Zweifel am bisherigen Fahrplan. Katastrophal ist auch die Verkehrsprognose: Unter Volllast wird der BER weder auf der Straße noch auf der Schiene in kalkulierbarer Zeit zu erreichen sein. Und das alles nach 1575 Tagen, von denen jeder Einzelne rund eine Million Euro zusätzlich kostet – da macht es sich nicht so gut, wenn der Regierende Bürgermeister sagt, es sei nicht so wichtig, ob der BER vier Wochen früher oder später eröffnet.

Der Kaffee sei ohnehin längst kalt

Vor diesem Hintergrund erstarkt in der Stadt die Stimmung, vielleicht doch zusätzlich an Tegel festzuhalten. Der FDP, die das zu ihrem zentralen Thema machte, verschaffte das den Wiedereinzug ins Parlament. Bei Umfragen zeigt sich eine klare Mehrheit dafür, und selbst im rot-rot-grünen Wählerlager heißt es immer öfter: Warum denn eigentlich nicht? So stark im Aufwind sieht sich der FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja, dass er vor der Sondierungsrunde mit der SPD gestern im Roten Rathaus tönte, wenn sich der Regierende da nicht bewege, sei der Kaffee schnell getrunken.

Seitens des Senats heißt es bisher, der Kaffee sei ohnehin längst kalt und lasse sich nicht mehr aufwärmen. Doch das stimmt nicht. Es wäre ja auch ein politischer Offenbarungseid, wenn ein Beschluss, der vor 20 Jahren getroffen wurde (ja, so lange ist das schon her), im Licht neuer Erkenntnisse und zum Teil völlig anderer Voraussetzungen, was die Passagierprognosen betrifft, nicht noch einmal geändert werden könnte.

Die Entscheidung für nur einen Standort hatte vor allem wirtschaftliche Gründe, die inzwischen obsolet sind. Die genehmigten Flugrouten für den BER, die Starts und Landungen in Tegel ausschließen, können angepasst werden. Der Umzug der Regierungsflüge kostet fast ein halbe Milliarde zusätzlich, erst 70 Millionen für ein Provisorium in Schönefeld, dann noch einmal 350 Millionen für einen Neubau, jeweils mindestens und erwartbar mehr. Wohin weicht die Regierung eigentlich aus, sollte den BER mal ein Anschlag treffen? Die erhoffte Drehkreuzfunktion des BER, bis heute Verteidigungsargument für das Singlekonzept, kann einen zweiten Flughafen zu anderen als interkontinentalen Zielen vertragen, in anderen Städten geht das auch.
1575 Tage nach der Nichteröffnung des BER hat sich die Beweislast umgekehrt: Geht nicht, gilt nicht mehr.

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