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Flughafen-Bebauung: Tempelhof-Aktivisten sind sich uneins

Die Aktivisten von „100 % Tempelhofer Feld“ streiten über die Bebauung – allerdings untereinander. Das Land freut’s: Es hat die Flächen abgesteckt und will Mittwoch in aller Ruhe seine Pläne präsentieren.

Erfolge sind eigentlich ein Grund zu feiern. Mehr als 28 000 gültige Unterschriften gegen jegliche Veränderung am Flugfeld hat die Initiative „100% Tempelhofer Feld“ in kürzester Zeit gesammelt – und doch streiten die Aktivisten. Statt geschlossen die zweite Phase zu starten und gültige Unterschriften von 173 000 wahlberechtigten Berlinern einzusammeln, um einen Volksentscheid zur Verhinderung der Baupläne zu erzwingen, haben Teile des Vereins ihren Mitbegründer und Vorstandssprecher Hermann Barges rausgedrängt. Der will das nicht einsehen und bestreitet, dass die Beschlüsse „ordentlich zustande gekommen“ sind.

Für Bausenator Michael Müller (SPD) sind das alles gute Nachrichten. Denn er stellt an diesem Mittwoch im Hangar des stillgelegten Flughafengebäudes den „Masterplan“ für die Entwicklung des Areals vor. Wie berichtet, will der Senat zügig den südwestlichen Rand des Feldes bebauen, als das Viertel nahe U- und S-Bahnhof Tempelhof. Die 270 Millionen Euro teure Zentral- und Landesbibliothek soll als „Impulsinvestition“ für das Bildungsquartier mit mehreren hundert Wohnungen dienen. Später sollen Büro- und Handelsflächen am Südrand entstehen, parallel zur S-Bahn-Trasse. Dafür sollen auch Kleingärten weichen.

Gegen diese Pläne mobilisiert die Initiative „100% Tempelhof“, die jede Veränderung an dem rund 290 Hektar weiten Gelände namens „Tempelhofer Freiheit“ ablehnt. Initiativengründer Hermann Barges hatte dazu an den Columbiadamm eingeladen, um seine Antwort auf die Senatspläne zu geben unter dem Titel: „Das 100% Tempelhofer Feldprojekt-Experiment – ein Masterplan für die Demokratie“. Doch da ging es nicht beispielsweise um die Nöte der Zwischennutzer vom „Allmende-Kontor“, deren Pachtverträge für die Kleinstgärten nahe dem sogenannten Kreuzkölln Ende des Jahres auslaufen. Vielmehr war Barges’ Zwist mit seinem Amtsnachfolger Felix Herzog das Thema an diesem Tage.

Wie ein Generationenkonflikt nimmt sich der Streit des Mittzwanziger Herzog mit dem Ü50er Barges aus, bei dem es wohl auch um Macht und Posten geht. Jedenfalls sagt Herzog nicht ohne Koketterie, während er seine Mate-Limonade aufschraubt: „Ich soll der Böse sein.“ Dann spricht er aber auch von „Differenzen, die schon länger bestehen“ mit Barges. Und Herzogs Mitstreiterin, eine von fünf „Vertrauenspersonen“ des Volksbegehrens, Christiane Bongartz, erzählt von nicht mit dem Verein abgestimmten Gesprächen und Aktionen Barges’. Dies gelte auch für Barges’ Vorstellung von seinem „Masterplan“, von dem man nur zufällig erfahren habe. Im Übrigen „gibt es diesen Masterplan der Initiative gar nicht“, jedenfalls für die Vereinsspitze.

„Meine große Sorge ist, dass die Initiative gehemmt wird.“

Die Auseinandersetzung erinnert an den Zerfall der Initiative „Mediaspree versenken!“, verstärkt durch den Ausschluss des langjährigen Sprechers Carsten Joost. Auch Joost war von anderen Aktivisten eigenmächtiges Handeln vorgeworfen worden. Es gab Gerüchte um Honorare, die er ohne Abstimmung eingestrichen haben soll, was er bestritt. Danach wurde es still um die Initiatoren des ersten erfolgreichen Bürgerentscheids zugunsten freier Uferwege an der Spree in Friedrichshain-Kreuzberg.

Dass „seiner“ Initiative Ähnliches drohen könnte, dieser Gefahr ist sich Barges bewusst. „Meine große Sorge ist, dass die Initiative gehemmt wird“, sagte er und will am liebsten gar nichts über die Auseinandersetzung sagen. Dass er nun aber abgewählt ist, will er so auch nicht stehen lassen. Herzog sei eigentlich gar nicht sein Nachfolger, denn dieser sei „auf einer nicht ordnungsgemäß zustande gekommenen und nicht ordnungsgemäß durchgeführten außerordentlichen Mitgliederversammlung zum Vorsitzenden gewählt worden“ – das klingt so wie: irgendwie unanständig.

„Mit dieser Meinung steht er ziemlich alleine da“, sagte Neuvorstand Herzog. An der Vereinsversammlung hätten 20 von 26 Mitgliedern teilgenommen. Barges’ Abwahl und seine Wahl seien mit „deutlicher Mehrheit“ erfolgt. Dass die Luft aus der Initiative raus ist, sieht er nicht so. Dem neuen Sprecher sei sogar bei der Vorstellung des Masterplans durch Bausenator Müller Redezeit eingeräumt worden. Der Volksentscheid werde bis zur Europawahl 2014 die erforderlichen Stimmen einsammeln. Barges wollte das schneller erreichen.

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