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Berlin baut auf. Eine kleine Orientierungshilfe aus der Luft: Das neue Flughafengebäude ist 715 Meter lang, links ist die Nordbahn (3600 Meter Länge) zu sehen, rechts die künftige Südbahn mit 4000 Meter Länge. Unten steht der 47 Meter hohe Tower. Die Straße rechts unten führt zum ILA-Gelände. Und ganz links am Bildrand ist das jetzige Schönefelder Flughafengebäude zu erkennen. Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Flughafen BER: Start ins Ungewisse

Ein definitiver Eröffnungstermin für den Hauptstadtflughafen ist nicht in Sicht. Experten warnen bereits vor einer weiteren vorschnellen Festlegung. Die Länderchefs Wowereit und Platzeck stehen vor schweren Entscheidungen.

Selten war eine Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft so spannend wie am heutigen Mittwoch. Es geht um Köpfe und Termine. Das Gremium will sich erklären lassen, wie es zu dem Desaster mit der kurzfristig geplatzten Eröffnung kommen konnte. Und es muss entscheiden, ob einer oder gar beide Geschäftsführer gehen müssen. Offen ist, ob sich die Aufsichtsräte überhaupt festlegen, wann der neue Flughafen in Betrieb gehen soll. Die Sitzung beginnt um 15.30 Uhr und findet vor Ort statt. Das Ende ist unbestimmt.

Eröffnungstermin
Vorschnell hatten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) vor einer Woche den August als neuen Starttermin verkündet. Davon ist keine Rede mehr. „Deutlich später“ werde der Termin liegen, heißt es aus dem Aufsichtsrat. Brandenburgs Landesregierung rechnet nach Tagesspiegel-Informationen sogar nicht mehr damit, dass der BER noch in diesem Jahr in Betrieb geht: Zu groß seien die Probleme auf der Baustelle. Die meisten Fluggesellschaften wollen ohnehin nicht vor dem Ende des Sommerflugplans am 26. Oktober umziehen. Weil das zu knapp sein könnte, ist auch von einem Dezember-Termin die Rede. Doch mitten im Winter den Flughafen zu wechseln, berge erhebliche Risiken, warnen Fachleute. Rechnet man einen zeitlichen Puffer für alle Eventualitäten dazu, landet man schnell im März, wenn der nächste Sommerflugplan in Kraft tritt. Manche Fluggesellschaften – zum Beispiel Easyjet (siehen unten) – finden das durchaus tragbar. Bis dahin sollen die beiden Pavillons am Terminal fertig sein, die nachträglich in die Planung aufgenommen wurden, um Platz für größere Kontrollanlagen zu schaffen. Diese sind für die Mitnahme von Flüssigkeiten im Gepäck erforderlich. Eine Abfertigung im Container, wie sie jetzt bei der für den 3. Juni geplanten Eröffnung vorgesehen war, würde dann entfallen. Ministerpräsident Matthias Platzeck hat sich für eine Inbetriebnahme ohne Provisorien ausgesprochen.

Bildergalerie: Wie der fertige Flughafen letztlich aussehen soll

Stand der Bauarbeiten

Der Rückstand beträgt nach Tagesspiegel-Recherchen etwa ein halbes Jahr – und zwar ohne Sicherheitspuffer. Das deckt sich mit dem letzten Controllingbericht der externen Projektüberwacher der Gesellschaft WSP/CBP vom 20. März 2012, der auf der Sitzung des Aufsichtsrates am 20. April beraten worden war. In dem 90-Seiten-Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird der geplatzte Eröffnungstermin am 3. Juni zwar als gesichert bekräftigt. Das Alarmsignal einer roten Ampel („terminlich kritisch mit Auswirkung auf Inbetriebnahme“) findet sich nirgends. Zugleich wird aber mehrfach darauf hingewiesen, dass sich das Projekt in Schlüsselbereichen „auf dem kritischen Weg“ befindet, markiert mit gelben Ampeln („terminlich kritisch ohne Auswirkung auf Inbetriebnahme“).

Besonders bei allen Technik-, Gebäude- und Brandschutzsystemen im Fluggastterminal war der Zeitverzug indes dramatisch und betrug mehrere Monate. Zitat: „Vor allem die Fertigstellung der Gebäudefunktionssteuerung, welche alle sicherheitsrelevanten Anlagen des Flughafens (u.a. der Brandmelde- und Entrauchungsanlage sowie der Zutrittskontrollen) miteinander verbindet und untereinander steuert, ist absolut kritisch und unterliegt daher einer sehr engen Steuerung und Koordination.“

Betrieb in Tegel
Solange der Willy-Brandt-Flughafen in Schönefeld nicht läuft, muss Tegel die Hauptlast übernehmen. Auf jeden Fall ist gesichert, dass Tegel Berlins nicht schließt, bevor BER den Betrieb aufnimmt. In Tegel sollen nach derzeitigem Stand vor allem die Flüge von Air Berlin und der Lufthansa abgewickelt werden.

Das wäre beinahe schiefgegangen. Die Flughafengesellschaft hatte bei der Luftfahrtbehörde schon beantragt, für Tegel die Betriebspflicht und die Betriebsgenehmigung zum 3. Juni aufzuheben. Die bei der Stadtentwicklungsverwaltung angesiedelte Behörde hatte aber gezögert. Dann beschloss sie, die Genehmigung erst ein halbes Jahr später zurückzunehmen. Hätte sie dem Antrag entsprochen, wäre man vor dem Nichts gestanden. Eine Betriebspflicht könne man schnell wieder auferlegen, sagte Verwaltungssprecherin Petra Rohland. Eine zurückgenommene Genehmigung sei dagegen nur in einem aufwändigen Verfahren erneut zu erteilen. In diesem Falle hätte ein Großteil der Flüge ausfallen oder auf andere Flughäfen verlagert werden müssen.

Wird das Management ausgetauscht?

Luftfahrtausstellung ILA
Die vom 11. bis 16. September geplante Luftfahrtausstellung ILA kann auch ohne Inbetriebnahme des neuen Flughafens stattfinden und die neue Südbahn nutzen. Das stellt rechtlich keine vorzeitige Inbetriebnahme des Flughafens dar. Dies ist wichtig, denn spätestens ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme des neuen Flughafens muss Tegel geschlossen werden. Als Stichtag gilt die „funktionsmäßige Inbetriebnahme“, zu der auch das Abfertigungsgebäude gehört. Starts und Landungen zur ILA auf der Südbahn würden mit einer sogenannten Außenstartgenehmigung ermöglicht.

Bildergalerie: Wie die Besuchertage am neuen Airport verliefen

Flughafen-Manager
Ob die Geschäftsführung ausgetauscht wird, hängt auch davon ab, ob man Nachfolger findet, die geeignet und auf die Schnelle verfügbar sind. Erwartet wird, dass Manfred Körtgen, der für den Flughafenausbau zuständig ist, gehen muss, auch wenn zunächst noch kein Nachfolger benannt wird. Auch vom Sprecher der Geschäftsführung, Rainer Schwarz, würden sich einige Aufsichtsräte gern trennen. Klaus Wowereit, Aufsichtsratsvorsitzender, hatte Schwarz nach Berlin geholt. Der zuvor für den Bau verantwortliche Geschäftsführer Thomas Weyer war danach zum Flughafen München gegangen. Dort betreut er jetzt den Bau eines dritten Terminals.

Reaktionen auf die Verschiebung der Eröffnung in Bildern

Rolle der Architekten
Das Architekturbüro gmp (Gerkan, Marg und Partner), das nach Ansicht der Flughafengesellschaft zu spät auf die Probleme hingewiesen hat, wies die Vorwürfe zurück. Man habe die Verpflichtungen „uneingeschränkt erfüllt“, teilte das Büro mit. An öffentlichen Spekulationen über Ursachen und Verantwortlichkeiten wolle man sich nicht beteiligen.

Die Gerichte
Wegen des Flughafensdebakels prüfen Juristen Ansprüche auf Schadensersatz, die Fluggesellschaften, die Bahn und die BVG anmelden könnten. Der Flughafen wiederum wird versuchen, Ansprüche gegen Planer geltend zu machen. Unabhängig davon verhandelt das Bundesverwaltungsgericht im Juli darüber, ob der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau Schönefelds aufgehoben werden muss. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat am Dienstag die Flughafengesellschaft verpflichtet, umfassende Akteneinsicht zu gewähren. Außerdem laufen weiter Klagen zum Lärmschutz.

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