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Sein großer Auftritt. Der Piraten-Abgeordnete Martin Delius war als Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses am Freitag der gefragteste Mann.

© dapd

Flughafen-Debakel: BER-Ausschuss will Berlins Ruf retten

Das Gremium zur Untersuchung des BER-Desasters hat am Freitag seine Arbeit aufgenommen. Gleich zu Beginn gab es aber Meinungsverschiedenheiten darüber, wie die Aufklärung ablaufen soll. Und im Bundestag will man nur unter einer Bedingung für den Airport zahlen.

Für die CDU ist es „Klamauk“. Aber Martin Delius, der Ausschussvorsitzende von der Piratenpartei, verzieht am Freitagmorgen keine Miene, als er seinen Vorschlag begründet, der für einen Moment die parteipolitische Routine an diesem ersten Arbeitstag des Untersuchungsausschusses zum BER-Debakel durchbricht. Es gehe ihm darum, „nicht den Eindruck zu erwecken, wir würden uns an Fraktionsgrenzen reiben“, so erklärt Delius seine Idee, die er als „unorthodox“ beschreibt: Er wolle die traditionelle Sitzordnung auflösen. Statt nach Parteien getrennt sollen die neun Mitglieder des Ausschusses und ihre Stellvertreter sich einfach da hinsetzen, wo sie wollen. Auch, um sich daran zu erinnern, dass sie nur ihrem Gewissen verpflichtet seien. Als Delius fertig ist, schütteln die Kollegen der anderen Parteien verdutzt mit den Köpfen. Dann deklariert in einer an Loriot erinnernden Szene einer nach dem anderen, dass man eigentlich nur da sitzen wolle, wo man jetzt schon säße.

Das war eine der unterhaltsameren Szenen an diesem historischen Tag. Er hatte damit begonnen, dass Delius im Saal 113 des Abgeordnetenhauses die Dimension des vor dem Ausschuss liegenden Themas hervorhob: Anstatt wie erhofft zum „Jobmotor“ und zum „Drehkreuz“ geworden zu sein, habe der künftige Hauptstadtflughafen BER mit seinen Kostenexplosionen und den immer wieder verschobenen Eröffnungen einen „internationalen Reputationsverlust für Deutschland“ bewirkt. Nun gehe es darum, den Ruf des Flughafens wie auch Berlins zu reparieren: „Wer glaubt denn noch, dass ein großes Projekt in dieser Stadt erfolgreich ist, nur weil es zur Chefsache erklärt wird?“

Über den richtigen Weg zur Aufklärung gingen allerdings schon zu Beginn die Meinungen auseinander. So machte der Grünen-Obmann Andreas Otto deutlich, dass er vor allem den Regierenden Bürgermeister und Flughafen-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit (SPD) ins Visier nehmen will, weil der „nicht gesehen hat“, was am Flughafen schieflaufe. Die Regierungsparteien SPD und CDU sehen das naturgemäß anders und machten durch mehrere Anträge zum Verfahren deutlich, dass sie der Opposition nicht mehr entgegengekommen wollen als nötig. So lehnte die SPD-CDU-Mehrheit eine Regelung ab, nach der auch stellvertretende Ausschussmitglieder Rede- und Fragerecht haben. Nach Ansicht der Opposition hätte das die Arbeit der kleineren Fraktionen erleichtert, die wie Piraten und Linke nur jeweils ein Vollmitglied in den Ausschuss entsenden.

Kleinere rhetorische Scharmützel gab es auch als die SPD einen Antrag stellte, die zweiwöchentlichen Ausschusssitzungen stets um 13 Uhr zu beenden, um damit einem vermeintlichen Medieninteresse entgegenzukommen. „Nicht maximale Öffentlichkeitsarbeit, sondern maximale Wahrheit sollte unser Ziel sein“, hielt Ausschuss-Chef Delius der Regierungskoalition da vor.

Am Ende der vierstündigen Auftaktsitzung stand zumindest der Fahrplan für die nächsten Wochen: Dutzende von Beweisanträgen wurden gestellt, um Akten der Senatskanzlei, der Flughafengesellschaft und von diversen Behörden zu bekommen. Die neun ersten zu ladenden Zeugen wurden festgelegt, darunter die Ex-Regierungschefs Eberhard Diepgen und Manfred Stolpe, von denen man sich Auskunft zu den historischen Ursachen der aktuellen Probleme erhofft. Und bei der nächsten Sitzung am 2. November geht der Ausschuss erst mal spazieren: Eine Baustellenbesichtigung beim BER soll helfen, sich ins Thema einzuarbeiten.

Im Deutschen Bundestag wurde etwa zur gleichen Zeit über einen zweiten Nachtragshaushalt für das Jahr 2012 debattiert. Darin wird unter anderem haushaltsrechtlich Vorsorge für Mehrkosten beim BER-Bau getroffen. Der Bund kalkuliert 312 Millionen Euro. Allerdings sind die Gelder noch nicht freigegeben, sondern an die „Beschlussfassung der Gesellschafter über die Deckung des zusätzlichen Kapitalbedarfs der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH“ gebunden. Und vor allem die FDP hat klare Vorstellung, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit das Geld vom Bund fließt.

FDP-Generalsekretär Patrick Döring knüpft zusätzliche Mittel des Bundes für den Hauptstadtflughafen BER an eine Degradierung des Geschäftsführers Rainer Schwarz. „Die Mittel vom Bund gibt es nur, wenn BER-Geschäftsführer Rainer Schwarz, der unter anderem die Hauptverantwortung für das Desaster trägt, mindestens entmachtet und degradiert wird“, sagte Döring dem Tagesspiegel.

Außerdem müsse ein Finanzvorstand bei der Flughafengesellschaft installiert werden. „Und die Freigabe der Mittel muss, wie es verabredet ist, unter Gesellschaftervorbehalt stehen“, sagte Döring weiter. Vor allem Schwarz ist der FDP, aber auch anderen Koalitionären im Bund ein Dorn im Auge. Döring verweist auf den Umstand, dass möglicherweise Controlling-Berichte manipuliert worden waren.

„Sollte es sich bewahrheiten, dass Controlling-Berichte für den Aufsichtsrat geschönt wurden, dann ist Herr Schwarz auf keinen Fall mehr zu halten“, sagte das Mitglied im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages weiter. Der Nachtragshaushalt des Bundes wird nun in den Bundestagsausschüssen debattiert und anschließend in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag behandelt und vermutlich verabschiedet. Aber auch der Bundesrat muss dem noch zustimmen. Neben den einkalkulierten Mehrkosten zum Flughafen geht es in dem Nachtragshaushalt auch um eine Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank und die Einrichtung von neuen Kitaplätzen.

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