zum Hauptinhalt
Der Senat will das Tempelhofer Feld in eine „urbane Parklandschaft“ umwandeln. Die IGA ist ein Baustein dazu. Doch nun wird über eine Verlagerung der Gartenschau nachgedacht.

© Promo (Simulation)

Exklusiv

Flughafen Tempelhof überbucht: IGA soll nach Marzahn umziehen

Modemesse oder Gartenschau? An Plänen für das Tempelhofer Flugfeld mangelt es nicht. Die für das Jahr 2017 geplante Internationale Gartenausstellung (IGA) soll nun aus Platzgründen nach Marzahn umziehen. Der Senat befürchtet eine Kostenexplosion.

Die für das Jahr 2017 geplante Internationale Gartenausstellung (IGA) soll umziehen: Statt auf dem Tempelhofer Feld wird die Blumenschau voraussichtlich in Marzahn stattfinden. Ein entsprechender „Prüfauftrag“ an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung soll der Senat an diesem Dienstag beraten. Die im jüngst beschlossenen Haushaltsplan auf Gesamtkosten von 27,5 Millionen Euro geschätzte Gartenausstellung könnte in Marzahn neben den „Gärten der Welt“ öffnen auf einem Areal, das bereits zur Verfügung steht. „Die Erweiterung ist eine große Chance und der Zuzug der IGA ein glücklicher Zufall“, bestätigte Marzahn-Hellersdorfs Wirtschaftsstadtrat Christian Gräff (CDU) diese Pläne. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will dazu keine Details im Vorfeld der Sitzung verraten: „Der Senat hat um einen Sachstandsbericht zur IGA gebeten, den bekommt er von uns selbstverständlich“, so Sprecherin Daniela Augenstein. Der überraschende Plan dürfte wohl aus der Not geboren sein und Konsequenz einer Panne bei landeseigenen Firmen sein: Diese wollten zentrale Flächen auf dem stillgelegten Airport-Areal zwei konkurrierende Veranstaltungen gleichzeitig anbieten. Für den Hangar 1 und die Empfangshalle des Flughafens hat die Modemesse „Bread and Butter“, die an diesem Mittwoch beginnt, einen langjährigen Mietervertrag unterzeichnet – mit der Nutzung derselben Flächen bewarb sich das Land außerdem um die Durchführung der IGA 2017.

Bildergalerie: Das Flughafenfeld ist beliebt bei Sportlern

Aus Senatskreisen ist von Befürchtungen zu hören, dass infolge des Parallelbetriebs von Bread and Butter und IGA die Kosten der Gartenausstellung enorm steigen könnten. So wird beispielsweise erwogen, dass die Eingangshalle des Airports geteilt wird, damit sich Messebesucher und Blumenfreunde nicht in die Quere kommen. Ein solcher Umbau könnte das Budget ebenso strapazieren wie die geplante Einrichtung eines Cafés und Gartenflächen auf dem Dach des Baudenkmals.

Die für das Airport-Areal zuständige „Tempelhof Projekt“ hatte zwar noch mit den Modemachern um eine Lösung gerungen – bisher vergeblich: „Hier ist kein Kompromiss möglich“, sagte Karl-Heinz Müller, Chef von Bread and Butter, auf Anfrage. Müller hatte im Jahr 2009 einen langjährigen Nutzungsvertrag unterzeichnet und befürchtet einen „Millionenausfall“, falls er auf die Nutzung der Hallen verzichten müsste. Die noch größere Gefahr sei aber, dass Aussteller nach dem Ende der IGA nicht nach Berlin zurückkehren, was die Messe wirtschaftlich in Bedrängnis bringen würde. Müller pocht deshalb auf seinen Vertrag, den er nach eigenen Angaben vor den IGA-Beschlüssen unterzeichnet hatte.

Warum die IGA am Ende abgesagt werden könnte

Der Senat will das Tempelhofer Feld in eine „urbane Parklandschaft“ umwandeln. Die IGA ist ein Baustein dazu. Doch nun wird über eine Verlagerung der Gartenschau nachgedacht.
Der Senat will das Tempelhofer Feld in eine „urbane Parklandschaft“ umwandeln. Die IGA ist ein Baustein dazu. Doch nun wird über eine Verlagerung der Gartenschau nachgedacht.

© Promo (Simulation)

„Angesichts der sehr hohen Kosten für eine IGA auf dem Tempelhofer Feld ist es nicht unerwartet, dass nun Alternativen geprüft werden“, sagte Daniel Buchholz, Vorsitzender des Arbeitskreises Stadtentwicklung der SPD-Fraktion. Der Stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Stefan Evers sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die IGA kurzerhand nach Marzahn umzieht.“ Von einer IGA sollten Impulse für ganz Berlin ausgehen. Deshalb favorisiert Evers ein „dezentrales Konzept“, von dem mehrere Bezirke profitieren könnten. Die landeseigenen Firmen IGA und „Tempelhof Projekt“ äußerten sich bisher nicht. Beobachter gehen davon aus, dass die IGA nun noch einmal grundsätzlich überdacht wird. SPD-Mitglieder aus Friedrichshain-Kreuzberg hatten auf dem Landesparteitag am 9. Juni sogar den Antrag eingebracht, dass „die IGA 2017 sofort abgesagt“ wird. Die „dafür einzustellenden öffentlichen Mittel in Höhe von etwa 60 Millionen Euro für Investitionen und der Etat von 50 Millionen Euro für die Veranstaltungsdurchführung“ sollten stattdessen in die Förderung des Wohnungsbaus fließen. Mehrheiten gab es für diesen Antrag nicht.

Die skurrilen Pläne für das Flugfeld in Bildern

Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) gilt keineswegs als bedingungsloser IGA-Befürworter. Die CDU wollte die IGA in den Koalitionsverhandlungen sogar ganz kippen und lenkte nur deshalb ein, weil Müllers Vorgängerin Ingeborg Junge-Reyer vorgerechnet haben soll, dass ein Verzicht auf die IGA wegen der geschlossenen Verträge enorme Schadensersatzforderungen zur Folge hätten.

Widerstand gegen eine IGA gibt es auch aus der „Initiative 100 Prozent Tempelhofer Feld“, die Änderungen an dem Freifeld mit einem Bürgerentscheid verhindern will. Ein Antrag sei gestellt, sagte Hermann Barges von der Initiative. Und bei der „Stiftung Zukunft Berlin“ spricht sich der frühere Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) zusammen mit einem Dutzend anderer Prominenter gegen das Vorhaben aus: „Keiner fordert die IGA, keiner braucht die IGA – die Offenheit von Tempelhof ist ein Genuss für sich.“ Der Senat müsse seine knappen Ressourcen stattdessen in den Umbau von Tegel konzentrieren. Das Land finanziert die IGA-Gesellschaft in diesem Jahr und 2003 laut Haushaltsplan mit jeweils rund drei Millionen Euro Zuschüssen.

Zur Startseite