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Flugzeugabsturz: Geteilte Trauer in deutsch-polnischer Schule

Bei der Gedenkfeier der deutsch-polnischen Europaschule sprachen Jugendliche über die Folgen des Unglücks, bei dem der polnische Präsident Kaczynski und seine Begleiter ums Leben kamen.

„Am Freitag haben wir noch Witze über das Aussehen von Präsident Kaczynski gemacht – und jetzt ist er tot. Das ist ein Schock“, sagt die 16-jährige Janette. Die Meinung der Schüler der Deutsch-Polnischen Europaschule „Robert-Junk“ sei geteilt, die Anteilnahme unterschiedlich. „Manche haben Zeitungsartikel mit in die Klasse gebracht, andere wiederum haben überhaupt kein politisches Interesse“, sagt Zehntklässlerin Klaudia. Nicht jeder habe Kaczynski zudem gemocht. „Aber über Tote redet man nicht schlecht. Fakt ist, dass der Tod der politischen Elite das Thema hier ist. Und für viele die Frage, wie es jetzt mit Polen weitergeht.“

„Dziwuy jest ten swiaf“. Zu Deutsch: Wie komisch die Welt ist. Das polnische Lied hatten zwei Schülerinnen zum Auftakt der Gedenkfeier gesungen, bei der die Schulleiterin und die Klassensprecher aller Stufen auch über die Bedeutung des Unglücks gesprochen hätten, sagt Labuz. Der Klassensprecher einer Zehnten hat sich nach dem Gespräch in der Pause auf den Weg zu seiner Klasse gemacht, um sie zum Gedenkraum in den ersten Stock zu führen. „Dort kann jeder freiwillig im Kondolenzbuch unterschreiben, das später der polnischen Botschaft übergeben wird.“

Das Glockenläuten in der Schweigeminute um 12 Uhr unterstreicht die aufgewühlte Stimmung an der Oberschule. Etwa ein Drittel der 850 Schüler der Oberschule hat polnische Wurzeln. In zwei von jeweils sechs Klassen jeder Stufe wird auf Polnisch unterrichtet. Das Programm für Montag hatte eine Gruppe Freiwilliger um die Schulleiterin Ruth Garstka und die Polnischlehrerin Genowefa Kmita am Sonntag erarbeitet. Kmita hatte das Kondolenzbuch besorgt, eine Gruppe Schüler eine Rede vorbereitet, andere am Montag morgen die Presse ausgewertet und Fotocollagen mit persönlichen Bildern geklebt, um damit den Gedenkraum zu schmücken. Die Zwölftklässerin Olivia berichtet, wie sie Kaczynski in der siebten Klasse im Rahmen eines Partnerschulprojekts im Schloss Bellevue getroffen habe. „Er hat zu uns gesagt, dass wir fleißig lernen sollen, und erklärt, wie nah sich Polen und Deutschland sind.“

Polnische Geschichte habe plötzlich eine andere und viel nähere Bedeutung bekommen, sagt Natalie. „Es ist schwer zu begreifen, dass die politische Elite am gleichen Ort um Leben gekommen ist, an dem 70 Jahre zuvor die Elite des Vorkriegspolens ermordet wurde.“ In Polen hätten viele vom „Fluch von Katyn“ gesprochen, sagt Olivia, die das Wochenende mit ihren Eltern in Polen verbracht hat. Sie erinnere sich noch genau an die Sirenen zur Schweigeminute und die bedrückende Stimmung vor Ort. „Es geht um eine doppelte Symbolik, die in den Ereignissen liegt. Diese zu analysieren ist unser heutiges Thema an der Schule“, sagt die Lehrerin Kmita. Schulleiterin Garstka ergänzt, dass die Schüler unterscheiden müssten, dass es sich beim Vorfall im Jahre 1940 um Mord und jetzt um einen tragischen Zufall handele. „Vielleicht macht genau das eine Annäherung zwischen Russland und Polen möglich.“

Vor dem Gedenkraum hat sich eine lange Schlange Schüler gebildet. Auf dem Tisch liegt das Banner einer polnischen Flagge, darauf das Kondolenzbuch. „Es sind Menschen gestorben, die Geschichte geschrieben haben. Menschen, mit deren Politik aber auch nicht jeder zufrieden war“, sagt Zuzanna. Die große Anteilnahme in Deutschland habe die Zwölftklässlerin nicht erwartet. Doch auch jetzt sei es wichtig, Politisches und Menschliches voneinander zu trennen. „Vielleicht klingt es schlimm, wenn ich das sage. Aber möglicherweise liegt in ihrem Tod auch ein Neubeginn für Polen.“

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