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Berlin: Förderschule ist Auslaufmodell

2013 fällt die Trennung zwischen behinderten und nicht behinderten Kindern

Potsdam - Brandenburgs Schulen stehen vor der größten Reform der jüngeren Geschichte des Landes: Bildungsministerin Martina Münch (SPD) will ab 2019 alle Kinder gemeinsam in Regelschulen unterrichten lassen. Das betrifft auch die rund 10 000 Kinder mit extremen Lernschwächen und Verhaltensauffälligkeiten, mit körperlichen und geistigen Behinderungen, die derzeit noch 100 spezialisierte Förderschulen besuchen. Die sind nach den rot-roten Plänen ein Auslaufmodell. „Es geht um Vermeidung jedweder Ausgrenzung“, sagte die Ministerin.

Ab Schuljahr 2013/2014 sollen Erstklässler mit sonderpädagogischem Bedarf nicht mehr an Förderschulen, sondern an den Grundschulen eingeschult werden. Die Bildungsgewerkschaft (GEW)  und die Opposition befürchten eine Überforderung des Schulsystems, das wegen anhaltend schlechter Ergebnisse im Ländervergleich in der Kritik und zudem unter Spardruck steht.

Den Kurs auf die „inklusive Schule“ begründete Münch mit der von Deutschland ratifizierten UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen, nach der behinderte Kinder „gleichberechtigt ... Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Grundschulunterricht“ und einer späteren Sekundarschulausbildung haben müssen.

Bisher haben Förderschüler, die die Sonderschulen nach der 10. Klasse verlassen, keinen anerkannten Abschluss und deshalb geringe Chancen. Der Umbau zu einer Schule für alle werde die Bildungslandschaft „nachhaltiger verändern als der Pisa-Schock“, glaubt Münch. Nach ihrem Fahrplan sollen zuerst die 55 Förderschulen für Kinder mit extremen Lernschwächen und Verhaltensauffälligkeiten bis 2019 schrittweise auslaufen. Später sollen die Einrichtungen für Schüler mit geistigen und körperlichen Behinderungen folgen. Münch machte kein Hehl daraus, dass alles mit dem bestehenden Etat gemeistert werden soll. Anders als in Finnland werde es zwei Lehrer pro Klasse zwar „stundenweise“, aber „nicht in der Regel“ geben, so Münch, die auf die jetzigen Sonderschulpädagogen und die Fortbildung regulärer Lehrer setzt. 

Die Pläne lösen Befürchtungen und Kritik aus. So unterstützen Grüne, Linke und GEW zwar den Gemeinschaftsansatz. „Wenn man nicht die Rahmenbedingungen und Standards sichert, wird es ein Billigmodell“, warnt der GEW-Landesvorsitzende Günther Fuchs. Schon jetzt gebe es „kaum Geld für Fortbildung“. Und Sonderpädagogen an Grundschulen sind in der Praxis im Grunde die „Vertretungsreserve“, sagt die Grünen-Politikerin Marie-Luise von Halem. Die FDP fordert „Augenmaß“ und „fundierte Konzepte.“ Die Union lehnt die Pläne ab. Aus der UN-Konvention lasse sich ein Aus für Förderschulen nicht automatisch ableiten, sagte die Fraktionschefin Saskia Ludwig. So setze der Freistaat Bayern weiter auch auf Förderschulen. Alle Kinder unter einem Dach könne vielleicht „mit ganz, ganz kleinen Gruppen funktionieren, nicht aber unter den hiesigen Bedingungen“, hier „ist es ein Angriff auf die Kinder“.Thorsten Metzner

Thorsten Metzner

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