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© Ullstein

Folge 2: Die 20er Jahre: Kalt serviert

Als der Strom für die Küche entdeckt wurde, verkaufte das KaDeWe schon bald die ersten Kühlschränke Auch Albert Einstein entwickelte in Berlin ein Modell. Es wurde allerdings nie gebaut.

Berliner Küchengeschichten

Folge 2:

DIE ZWANZIGER

Die anderen Folgen

Preußen (10.10.)

50er Jahre (17.10.)

Küche der Zukunft (21.10.)

Moderne Küchengeräte? Die meisten Berliner hatten in den frühen zwanziger Jahren erst einmal andere Sorgen. Zu Inflationszeiten kostete ein Pfund Butter schon 20 Milliarden Mark, und die Stadtbewohner waren froh, wenn sie Erbsen- und Kartoffel- oder Kohlsuppe im Magen hatten. Die meisten Berliner, in Sorge um das tägliche Brot, mussten kühlen Kopf behalten. An kühle Vorräte in der Küche dachten sie höchstens im Sommer und waren froh, wenn sie wenigstens Platz für eine halbwegs frische „Speisekammer“ hatten. Kühlschränke? Darauf wagte die Mehrheit in Berlin nicht zu hoffen, die waren was für „Reiche“. Und ohnehin eine komplizierte Materie, wie Nobelpreisträger Albert Einstein feststellen musste, der 1926 in Berlin ein Modell entwickelte, das ohne giftige Kühlmittel auskam. Wegen eines Lecks im Kühlsystem, durch das Schwefeldioxid ausgetreten war, hatte zuvor eine Berliner Familie ihr Leben eingebüßt. Das kühle Möbelstück, so faszinierend es war, galt schon als Sicherheitsrisiko. Einsteins Modell (er wollte nicht mit seinem Namen dafür werben) ging nicht in Serie, obwohl die AEG die Lizenzrechte erwarb. Verwendet wurden wenig später allerdings ebenfalls ungiftige Fluor-Kohlenwasserstoffe, die sehr viel später als Ozonkiller in Verruf gerieten.

Auch wenn er für viele unerschwinglich war: Der Kühlschrank rückte in den Zwanzigern ins öffentliche Interesse, „Eisschrank“ sagten die Leute, manche Ältere sagen es heute noch. Die ersten Schränke zum Hausgebrauch waren zur Jahrhundertwende noch mit Ammoniak betrieben worden – und stanken erbärmlich.

Aber zwei Jahrzehnte später wurde ja viel reformiert und modernisiert , im Wohnungsbau, in der Küche. Die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky hatte die Idee der „Einbauküche“. Die herkömmliche Wohnküche galt als rückwärtsgewandt, als Symbol der unterdrückten Frau. „Die Befreiung der Frau wird erst vollständig durchgeführt sein, wenn sie von der Sklaverei der Küche erlöst ist“, schrieb der Architekt Bruno Taut.

Die Schriftstellerin Lily Braun hatte schon 1901 das „Einküchenhaus“ gefordert, in dem sich alle Haushalte eines Mietsgebäudes eine gemeinsam betriebene Großküche teilen sollten, um den einzelnen Frauen Zeit für einen Beruf zu lassen. Unter den Eichen 53 in Steglitz entstand eines dieser Häuser, von Hermann Muthesius gebaut. Die Idee blieb weithin Theorie, die Hausfrauen wollten in den zwanziger Jahren lieber ihr eigenes Süppchen kochen. Aber Reformvorstellungen beflügelten ganz allmählich die Einstellung der Berliner zur modernen Küche, die sogar als „Brückenkopf der Moderne im Wohnungsbau“ bezeichnet wurde. Bruno Taut verwirklichte seine Vorstellung von der kleinen rationellen Küche beispielsweise ab 1926 in der Zehlendorfer Waldsiedlung „Onkel Toms Hütte“.

Der Strom gab der Küche, in der sonst so manches Feuer geschürt wurde, neue Chancen. Der Berliner AEG- Konzern warb nicht nur für Elektroherde, Waschmaschinen und Toaster mit Elektromotor, sondern auch für die ersten Kühlschränke, die im KaDeWe schon 1925 gezeigt wurden. Die Kosten für eine elektrifizierte Küche samt Kühlung ersparten das Dienstmädchen, hieß es in der Werbung. Besserverdiener ließen sich bislang den Eiswagen kommen, Männer schulterten die Blöcke, trugen sie schwitzend bis zu fünf Etagen hoch, wo sie in merkwürdige Kälteröhren eines „Eisschrankes“ gestopft wurden. Für die modernen Geräte warben Schauspielerinnen. Sie posierten vor mannshohen Schränken, in denen es drei Fächer gab – eines offenbar für Sektflaschen, eines für Gemüse und Fleisch, Töpfe fanden auch noch Platz.

Besonders bekannt wurde der „Santo Junior“ von der AEG, als Schmuckstück und ideale Speisekammer vorgestellt: Er stand wie ein zierliches Chippendale-Schränkchen auf vier hohen Beinen. Auf einem Werbefoto lehnte sich ein Mann im Nadelstreifenanzug an den Schrank und sah seiner seligen Frau zu, wie sie strahlend einen Kuchen in den schönen Santo stellte.

Dieser Kühlschrank fasste 125 Liter und verbrauchte fast doppelt so viel Strom wie ein heutiges Gerät. Im Jahr 1927 war erst die Hälfte der Berliner Haushalte mit Strom versorgt, rund 3000 von 650 000 Familien sollen eine jener Waschmaschinen besessen haben, die wie Buschtrommeln aussahen – und 1100 einen Kühlschrank. Wer wenig Geld hatte, griff zu Konserven, die verstärkt angeboten wurden. Man bemühte sich auf vielerlei Weise um Haltbarkeit. Die Firma Weck verkaufte immer mehr Weckgläser, sie machte das „Einwecken“ populär.

Der Kühlschrank erschien dagegen wie ein technisches Wunder. Viele schwärmten von eisigen Zeiten, Kinder sprachen vom„Schrank mit Winter“. Zugleich war das Gerät ein Statussymbol. Ein Plakat für den „Santo“ macht das klar. Da begrüßen die Partygäste den Hausherrn mit den Worten: „Eigentlich kommen wir nur, Ihren neuen Kühlschrank anzusehen – von dem alle so begeistert sind.“

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