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Gut betucht. In Berliner Schulen sind Kopftücher ganz normal.

© Doris S.-Klaas

Forderung der Berliner AfD: Generelles Kopftuchverbot: "Das ist Schwachsinn"

Die Forderung der Berliner AfD nach einem Kopftuchverbot für Schülerinnen und Studentinnen löst Kopfschütteln aus. Die Rechtslage nämlich ist eindeutig.

Von Sandra Dassler

Eine Kita-Pflicht würde es in Berlin nicht geben, wenn die Alternative für Deutschland die Macht in der Hauptstadt übernähme. Die Delegierten des Berliner AfD-Parteitags am Sonntag nahmen eine entsprechende Forderung nicht in ihr Programm für die Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September auf; die Landesvorsitzende Beatrix von Storch hatte vehement den Verzicht gefordert. Die Forderung nach generellem Kopftuchverbot an Schulen und Universitäten fand hingegen eine breite Mehrheit.

Eindeutig waren die Reaktionen am Tag danach. „Jeder Schüler und jede Schülerin in Deutschland hat das Recht auf freie Ausübung der Religion. Kopftuchverbote sind deshalb rechtswidrig“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, dem Tagesspiegel.

Religiös begründete Unterdrückung lässt sich nicht dadurch verhindern, indem die Symbole der Unterdrückung verboten werden. Wenn Frauen/Mädchen aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen (müssen) und die Gesellschaft dieses Kopftuches verbietet, werden nicht die Kopftücher von den Köpfen verschwinden, sondern die Trägerinnen aus dem Straßenbild.

schreibt NutzerIn db0815

Das wisse die AfD sehr wohl, meinte Marcel Lewandowsky, Populismus-Experte an der Universität der Bundeswehr Hamburg: "Diese Forderungen gehören ja zum Wirkmechanismus solcher Parteien. Rechtspopulismus funktioniert durch Tabubruch: eine möglichst radikale politische Losung, die direkt an fremdenfeindliche Ressentiments anknüpft. Solche Tabubrüche, wie der Einsatz von Schusswaffen an der EU-Außengrenze, werden natürlich von den Medien aufgegriffen und das ist es, was Rechtspopulisten bezwecken." Andererseits könnten die Medien, wenn die Partei eine gewisse Relevanz hat, solche Forderungen auch nicht ignorieren, sagte Lewandowsky.

Bei Schülern ist das Kopftuch problemlos

Politiker und Lehrer in Berlin verweisen darauf, dass die Durchsetzung eines Kopftuchverbots für Schüler eine Änderung der Verfassung notwendig mache. „Derzeit hat jeder das Recht, seiner religiösen Haltung Ausdruck zu verleihen“, sagte Nuri Kiefer, der Leiter der Gemeinschaftsschule Campus Hannah Höch in Reinickendorf und Schulexperte der Bildungsgewerkschaft GEW: "Die Forderung der AfD ist Schwachsinn. Das Kopftuch ist erstmal ein Kleidungsstück und deshalb bei Schülerinnen völlig problemlos."

Bei Lehrerinnen sei das etwas anderes, betonte Kiefer. Sie seien im Staatsdienst zur Neutralität verpflichtet, auch wenn es immer wieder Diskussionen um das Berliner Neutralitätsgesetz gebe. Argumente, wonach Kopftücher etwa im Sportunterricht ein Sicherheitsproblem darstellen, kann Kiefer nicht nachvollziehen: "Es gibt Kopftücher, die eng sitzen so wie es auch spezielle Badekleidung für muslimische Schülerinnen gibt."

Auch für Eltern sei die Forderung der AfD kein Thema, sagt Günter Peiritsch vom Berliner Landeselternausschuss: „Ich habe nicht den Eindruck, dass es einen Bedarf gibt, so etwas auch nur zu thematisieren. Das heißt, man hat mit der Situation, die gelebt wird, kein Problem.“

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) verwies auf die 2010 erarbeitete Handreichung des Berliner Arbeitskreises Islam und Schule. „Wir haben gute Erfahrungen mit einem selbstverständlichen und respektvollen Umgang mit Kopftuch tragenden Schülerinnen in Berlin gemacht“, sagte sie. Das bestätigten am Montag auch viele Berliner Musliminnen. „Ich arbeite in der Bibliothek an der Freien Universität“, sagte eine Jura-Studentin: „Natürlich mit Kopftuch. Das ist ganz normal, noch nie hat jemand daran Anstoß genommen.“

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